Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
Vom Netzwerk:
Abonnent der tageszeitung – und diese Frau, die gegen »Kanaken« nicht nur derbe Reden schwingt, sondern auch den Baseballschläger und, ja, ich habe es gesehen, wenn auch nicht gegen harmlose Migranten, sondern gegen Dealer: Peitschenstock und Schnappmesser.
    Meine toughe Nazifreundin und ich, vereint im düstern Dorf am Ende aller Welt.
    Es lag also nicht an ihren Stiefeln, daß das alles ein Glück war, auch nicht an ihrem babyfeinen, blonden, kurzen Haar, sondern eher, wie es in dem Lied von Iggy Pop hieß: an der Wüste in ihrem Blick.
    Zweiundzwanzig Jahre alt? In vielem deutlich älter, als ich je werden möchte. Enttäuscht, verlebt, immer sauer.
    Hat, als sie siebzehn war, ihrem Vater das Nasenbein gebrochen, als der sie mal unsanft umgriffen hat und versuchte, ihr einen Jägermeister-Stinkekuß auf den Mund zu pressen.
    Sie ist allerdings nicht mehr die tödliche Waffe, die sie mal sein wollte und vor einem Jahr, bevor das alles passiert ist, bevor ich in die Stadt gekommen bin, wahrscheinlich wirklich war. Sie ist älter, auch noch ein bißchen bitterer geworden und auf ihre Art inzwischen fast elegant. Trägt aber immer noch keine Unterhose in den Stonewashed-Jeans mit den umgekrempelten Beinen. Ihre Jugend ist verlorener, als meine war, und sie kommt trotzdem klar.
    Hat so viele Techniken, mich zum Reden zu bringen, oder sonst zu allerhand. Ich liebe es, mein Nazimädchen, denkt Philip. Er sehnt sich sehr nach was zum Rauchen. Aber das hat er aufgegeben – einer dieser guten Vorsätze, als er in die Stadt zurückkehrte, vielleicht der einzige, an den er sich auf Dauer wird halten können.
    Nicht in allem haben die romantischen Songs recht: Meine Liebste kann kein Französisch. Dafür ist ihr Hintern vollkommen, ihr Kreuz ein Wunder, antilopen- und katzenschön. Sie trägt einen Totenkopf-SS-Ring am Ringfinger der Linken, den sie auch dann nicht abnimmt, wenn wir am Fluß spazierengehen und Händchen halten. Ich spüre ihn dann, in meiner Hand.
    Astrid zuckte mit dem rechten Bein, er merkte das, und gleich danach, daß er schon wieder Lust auf sie hatte.
    Ist Astrid böse?
    Wie sehr sie Ingwerplätzchen liebt! Wie cool sie alles nascht, was sie will. Sie ist nicht dumm. Das ist wichtig. Hartes, selbständiges ­Nazi­mäd­chen. Ich bin verloren, das war Philip klar, und es machte ihm wenig aus.
    Die kalte Luft umgab ihn wohlig. Ihre Brust auf seinem Bauch gefiel ihm furchtbar sehr, ihre Schultern hoben und senkten sich ganz leicht. Er war sich ja doch sicher, daß Astrid die schönste Frau war, die es im Diesseits geben konnte. Trotzdem: perverse Aura, diese »politische Einstellung«.
    An ihren Taten sollt ihr sie erkennen: Philip hatte nur einmal erlebt, wie Astrid »aus Überzeugung« gewalttätig wurde, auf dem Jahrmarkt, gegen den armen Schacko. Was für ein »nur einmal«. Der Mann war buchstäblich mit einem blauen Auge davongekommen – ja, richtig, eine Eigenheit des modernen Grauens, des Faschismus, wenn Philip sich an die Stelle bei Karl Kraus richtig erinnerte: daß die Metaphern buchstäblich wurden.
    Was war denn nun das wirklich Nazihafte an der schönsten aller Frauen?
    Bemerkbar machte es sich ihm jedenfalls als harsches, auch erotisches Kraftfeld, mußte er zugeben – der Physiker in ihm dachte an Energie, daran, daß man ihre Feldgrenzen bestimmen konnte, daß sie Masse ohne Form war, und ja, Gott sei Dank: Wir können das heute alles in einem Grad auseinanderhalten, unterscheiden, von dem die Alten nicht zu träumen gewagt hätten, und so denken wir nicht länger an Gestalt noch an Ort, wenn wir uns Energie vorstellen.
    Trennschärfe, bis in die fürchterliche Unmittelbarkeit des Visuellen: Die Rose, die der Magnet produziert, aus den Eisenspänen, ist ja auch bloß Metapher, bringt uns nicht dazu, in botanischen Begriffen von der magnetischen Kraft zu denken. Ein deutsches Mädel.
    Philip hatte in Wirklichkeit sehr große Angst, um seinen Arsch ebenso sehr wie um seine Liebe, aber er wußte es nicht. Grund dazu bestand unbedingt: Während er seine Hand unter die improvisierte Decke schob und sie Astrid auf den flachen Bauch legte, der muskulöser war als sein eigener und sich fast gar nicht bewegte, während sie ihren Traum schlafnebel nah bei ihm sachte ein- und ausatmete, näherten sich dem Haus, in dem das geschah, von Südosten her sechs Leute in Jeans und Bomberjacken, Wollmänteln und Lederwesten, Cowboystiefeln und Turnschuhen. Die waren Astrids Freunde gewesen, wollten

Weitere Kostenlose Bücher