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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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von dem, was sie in ihren vielen verdämmerten Stunden so dachte, mit ihrem Mann, der sie aus Europa rausgebracht und also – man konnte drüber streiten – gerettet hatte. Sie sagte ihm nichts davon, daß sie oft an Valerie dachte, daß das Kapitel für sie nicht abgeschlossen war und daß unterm chronischen Müdigkeitspanzer viel wimmelte, wurmhaft sich quälte.
    Jetzt aber, da sie ihm dazu riet, sich dem Projekt zu verschreiben, das die Neusiedler von guten Gästen zu guten Verwaltern der geerbten Albträume der Insel machen sollte, grinste sie fast wie früher, fand Dieter, und freute sich. Er nickte also, schwang sich vom Geländer, ging ins Haus und fing an, die nötigen Bücher zusammenzusuchen. Stefanie horchte, die Trommeln setzten ein.
    Erst hohes, schwaches Klopfen, dann mischten sich Bässe hinein, denen ein Klappern folgte wie von steppenden Absätzen, das immer schneller wurde, seine eigenen Synkopen verschluckte, wieder ausspuckte, mit gespenstischen Zungen schnalzte, die Vegetation gegen Gott aufbrachte, die Inseln um die Insel auf dem Wasser schaukeln machte, Glühwürmchen in Erstaunen versetzte und dem Vogel sehr gefiel, den man hier den Cucú nannte. Der mied die Menschen, sang laut bei Nacht und grub in den abgebrannten Böden Löcher, um dort seine Nester zu bauen.
    Nicht Pochen, nicht Klappern: Was ich da wirklich höre, dachte Stefanie Mehring, sind Stimmen, die rufen, wir sollen verschwinden, die Insel so lassen, so verbrannt, so kaum bewohnt, weil das ein besseres Gedächtnis ist, ein besseres Mahnmal, als wenn wir lang Projekte machen.
    Oben, auf den karg bewaldeten Hochländern, die man »Sierras« nannte, kamen, von den Trommeln gerufen, welche zusammen, die hier niemand mehr vermutete, und begannen mit einem eigenen langen Projekt.

VIERUNDDREISSIGSTES KAPITEL
Siebenhundertneunundsechzigster Tag
    Wie Weihnachten: Kaum habe ich mich bei Skriba beschwert, daß meine neuen prallen Tagespläne (Training, Fahrzeugführung, Fliegen, Waffenübungen, die üblichen Netzrecherchen, Ausflüge mit den andern etc.) einerseits mein Tagebüchlein bedrohen und ich andererseits glaube, daß gerade dieses neue Leben hier zu dokumentieren doch lohnen könnte, schiebt er ein neues Hilfsmittel rüber: Einen Minidiscplayer samt Akku und eine Handvoll Discs, nicht ohne seine »vor allem auch als Leser deiner bisherigen Versuche« für richtig gehaltene Aufforde rung zu erneuern, ruhig auch mal einen Tag in Stichworten abzuhandeln.
    Jetzt spiele ich mit dem Maschinchen rum: Sachen sofort aufnehmen und erst später verschriftlichen, eine neue Idee. Als Diktiergerät möchte ich’s nicht geschenkt haben, ich bleibe eisern beim Prinzip des ausformulierten Satzes, so lange mir die Zeit nicht ganz zwischen den Fingern davonrinnt, aber wie wäre es hiermit – Karins Geschichte, intermittierend im Laufe der letzten drei Tage protokolliert:
    »Ich war in Princeton, als Post-Doc, oberste Preisklasse: Lewis Thomas Lab am Center for Advanced Biotechnology. Dann haben mich zwei Japaner da weggekauft, aus der freien Wirtschaft, Sagai Enterprises, die hatten so ein Superlabor in Clearwater, Florida. Waren an allen möglichen Sachen dran, unter anderem auch Zombotik und Mythematik. Eines der SNG -Verfahren – äh: synthetic genetic networks –, das die Zombotisierung von totem menschlichen Hirngewebe erlaubt, ist ein Sagai-Patent. Inzwischen natürlich verfallen. Damals, als ich dazukam, waren sie gerade dabei, ein Präparat scheinillegal zu lancieren, das …«
    Scheinillegal? Du meinst scheinlegal?
    »Nein. Es sollte so aussehen, als wäre das wie bei Ecstasy – ein System von Dealern, Abnehmern, ein Schattenmarkt. In Wirklichkeit war’s ein kommerzieller Feldversuch eines legalen Unternehmens.«
    Und wozu diese »Scheinillegalität«?
    »Eine komplizierte Variante des Placebo-Effekts: Da dem Zeug, MTS …«
    Schwester Mitternacht? Die Empathie-Droge für Sexsüchtige?
    »Das ist draus geworden, ja. Also, da dem Zeug alle möglichen magischen Effekte nachgesagt wurden – nicht nur Empathie, sondern Telepathie, Gestaltwandeln …«
    War eine Modedroge unter Techniki und bei Ärzten, oder?
    »Ja, und Biologen. Alle, die von Sagais Marketingabteilung aus leicht zu erreichen waren und mit ein bißchen pseudowissenschaftlichem Gobbeldygook beeindruckbar. Memetische Pharmakologie sozusagen – weißt du, nach dieser Theorie von Dawkins …«
    Meme – selbstreproduzierende Ideen, richtig? So was wie Gene der

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