Für immer in Honig
Schachtel mit einer großen weißen Taftschleife vor sich auf Cordulas Schreibtisch stehen: »Wozu … wer … ist heut’ Hillarys Geburtstag oder was?«
»Valerie, Valerie«, sagte Cordula mahnend, »als ob ich einen besonderen Grund bräuchte, um dir zu zeigen, wie sehr ich dich mag.« Sie ließ sich in ihre riesige weinrote Sitzecke fallen und warf sich ein paar Weingummis in den Mund, kaute kurz, schluckte und setzte hinzu: »Oder um dir zu danken, daß du mit Andy eine kleine Spezialmission in Berlin erledigen wirst …«
Valerie hatte schon an der Schleife gezupft, jetzt hielt sie inne.
»Berlin? Was kommt als nächstes? Soll ich dir helfen, dein Klavier rumzuschieben, weil du am Südfenster besser komponieren kannst?«
»Hier gibt es nichts umsonst, junge Dame, genau wie sonst überall im Multiversum. Weißt du, manchmal habe ich das Gefühl, jemand wird ein bißchen zu sehr verwöhnt, wie?«
Die Chefin stand auf, beugte sich vor und streckte die Hand nach dem Geschenk aus: »Vielleicht sollte ich das lieber wieder zurücknehmen.«
Valerie zog die Schachtel an sich: »Tschuldigung.«
Cordula sah sie abwartend an.
»Tschuldigung … Chefin?« Valerie schenkte Cordula ihren schönsten Augenaufschlag.
»Fein. Also«, sagte Cordula und lehnte sich lässig gegen den Tisch.
»Wir werden was richtig Heroisches machen, diesmal. Ich weiß, du magst nicht mehr hin – die kleinen Sabotagesachen, Anschläge und Leute-Rausschleus-Aktionen langweilen dich. Aber was wären wir, wenn wir nicht mal den wirklich armen Schweinen helfen würden – anstatt bloß den reichen Säcken, die es sich aufgrund von Vermögen außerhalb leisten können, von den W rausgeschleust zu werden? Was wären wir, wenn wir nicht auch mal ein paar Gefangene aus dem Knast holen würden, in den sie das Jüdische Museum verwandelt haben? Was wären wir dann?«
»Doofe Hilfstrottel für doofe Geldtrottel?« riet Valerie.
»Eine ziemlich herbe Enttäuschung, das kann ich dir sagen«, stimmte Cordula zu.
»Mach jetzt dein Geschenk auf.« Valerie stellte die Schachtel wieder auf den Schreibtisch und riß sie auf.
Als sie den Deckel anhob, war sie sofort begeistert.
»Siehst du«, freute sich Cordula, »dein glückliches Gesicht ist mir Dank genug.«
Valerie holte das Geschenk aus der Schachtel und hielt es hoch.
Es war ein massives, reich verziertes Jagdmesser mit doppelter Klinge, schwarzem Horngriff und gebogenen Stacheln am Heft. »Das ist wunderschön, Boß.«
Cordula nickte: »Hat auch ne hübsche Stange Geld gekostet, also gib drauf acht. Und paß auf, daß du niemandem ein Auge ausstichst damit.«
Valerie blinzelte.
»Jedenfalls nicht, ehe ich es dir befehle.«
»Schon irgendwelche bestimmten Augen im Sinn?«
Die Chefin gab keine Antwort.
Elfte Minidisc-Aufnahme
F: Also, zu deiner Scheißpartei da, die es nicht gibt, oder nicht mehr gibt…
J: Nie gegeben hat.
F: Ja. Die Gippies. Das kommt ja von Hippies.
J: Und Yippies – Youth International Party, das war eine radikale …
F: Ist mir jetzt erst mal egal, weißt du?
J: Schon gut.
F: Also – die Abkürzung lautet GPI , Gruppe Pfadintegral, sagst du. Und jetzt frage ich dich: Wieso heißt das so? Was soll das sein?
J: Kannst du dir selber beantworten, wenn du dich an das Buch von Rölfchen erinnerst, das ich dir geliehen habe. Da steht drin, was ein Pfadintegral ist. Weißt du’s noch?
F: Langsam, Frau Lehrer. »Der unsichtbare Strand« … mal sehen. Also: In der Quantenphysik überlagern sich die verschiedenen möglichen Pfade, die ein Teilchen langfliegen kann, ja?
J: So ungefähr.
F: Also daß von allen möglichen Ergebnissen, die das Experiment haben kann, allen Wegen, die das Dings nehmen kann, alle gleich gültig sind, bis gemessen wird. Schrödingers blindes Huhn und so.
J: In etwa.
F: Und das Pfad… integral ist halt die … das Ergebnis der Summe der einander tilgenden, ausgleichenden Pfade, die …
J: Es ist die mathematische Darstellung der Zustandveränderungs-Amplituden eines Quantensystems als kohärente Summe aller möglichen Verläufe. »Sum over history«, sagt Richard Feynman. In der eigentli chen Quantenmechanik ist diese »history« ein Partikelpfad, in der Quantenfeldtheorie ist sie ein Pfad im Raum des Feldes, und in der String-Theorie bezeichnet sie die Einbettung der Weltfläche des Strings in die Raumzeit.
F: Toll. Und was ist daran politisch?
J: Nichts natürlich, per se. Behauptet auch Doc Rock nicht. Für ihn und seine Leute
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