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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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nicht Politik.«
    »Natur«, rülpste Reuland. Ihm war, als fahre er auf einem Karussell – Warum lasse ich mich hier so rumschieben wie ein Opa von der Krankengymnastin, warum bin ich so völlig willenlos, was passiert hier? Die Panik war dumpf, wie beginnender Zahnschmerz, die Beine gehorchten ihm nicht, er lief mit, wo sie hinlief, Mitläufer seines eigenen Untergangs, einer sehr endgültigen Transformation.
    Denn ein magisches, metamorphotisches Ritual hatte im Moment des Vollzugs der ersten halben Durchmessung des Bogens begonnen, ein Ritus, zu dessen Vollzug Druiden diesen Steinhalbkreis vor fast ­zwei­tausend Jahren hatten errichten lassen.
    »Natur, ja«, nahm Cordula den Faden wieder auf, »alle Guten, alle Bösen folgen ihrer Rosenspur. Das ist manchmal schön, manchmal tragisch, meistens langweilig – es interessiert eigentlich nur Leute, die nicht von dieser Welt sind, so wie ich oder der Engel dort, dem ich deshalb diesen Logenplatz besorgt habe für das, was hier heute passieren wird.«
    »Nicht von dieser …«, murmelte Reuland, trunken entsetzt, und Cordula lachte: »Es gibt freilich verschiedene Arten, nicht von dieser Welt zu sein – das ist immer abhängig davon, was man mit Welt meint: den Planeten Erde, dann gilt es für den Cherub und seine außerirdischen Standesgenossen und Vorgesetzten, oder die ganze Bernsteinik, dann gilt es für mich …«
    »… steinik«, wimmerte Reuland.
    »Oh, tschuldigung, ein Fachausdruck von mir – ich meine das, was du Universum nennst. Ich bin aus einem andern, der Engel da aus deinem, wenn auch von weither. Bernsteinik … ich benutze den Ausdruck, um nicht ›Elektronik‹ zu sagen, weißt du, weil das zu Verwechslungen führt, die Leute denken dann an Computer und so. Schwamm drüber. Weißt du, was wir hier gerade machen, mit unserm Spaziergang?«
    Es hatte leicht zu nieseln angefangen aus den vollen grauen Wolken.
    Reuland schniefte, sein Gesicht war feucht. »Nö … weiß … nicht …«
    »Magie, Herr General. Wir üben uns in Magie. Das heißt, ich übe mich.«
    »Dich.«
    »Mich. Weißt du, was für eine Magie? Nein, weißt du nicht, kannst du nicht wissen. Der Nationaldichter dieser Gegend hier, ein gewisser Yeats, hat’s gewußt … Ich bin nicht ganz so ein eidetisches Wunderpferd wie unsere liebe Jennifer Brunner, aber das bring’ ich noch: ›Ich glaube an die Praxis und die Philosophie‹ – interessant übrigens, daß er die Praxis zuerst nennt, er wußte wirklich, wovon er geschrieben hat – ›an die Praxis und die Philosophie dessen, was wir »Magie« zu nennen wir uns geeinigt haben, ich glaube an das, was ich die Anrufung von Geistern nennen muß, wenngleich ich nicht weiß, was sie sind, an die Möglichkeit, mit Zauber zu täuschen, an die Visionen der Wahrheit in den Tiefen des Geistes, wenn die Augen geschlossen sind, und ich glaube daran, daß die Grenzen unserer Seelen sich beständig verschieben, und daß viele Seelen ineinander übergehen können, und eine einzige Seele erschaffen oder offenbaren können, eine einzige Energie, und daß unsere Erinnerungen Teil eines einzigen großen Gedächtnisses sind, des Gedächtnisses der Natur selbst.‹«
    »Hübsch«, sagte Reuland zerstreut. Dann waren sie am Ende des Bogens angekommen. Cordula Späth hob wieder ihre Hand, wie vorhin, als sie abgewunken hatte, hob sie diesmal aber höher, bis vor sein Gesicht, wo sie ihm den flachen Handteller hinhielt und sagte: »Du hast nichts aus deiner Geschichte gemacht – man wird sie erzählen können, ohne wirklich etwas von dem berichten zu müssen, was in dir vorgegangen ist, nichts von deinen Ängsten und Ahnungen und sexuellen Phantasien, von deiner Kindheitsliebe zu deiner Schwester, von der Suche nach ihr durch deinen kleinen Geheimdienst, denn alle diese Stränge verlaufen im Nichts, wer deine Geschichte liest, wird nie erfahren, was aus dieser Schwester wurde … Du warst einfach zu eindimensional, zu häßlich, zu sehr ein Instrument der kriegerischen grausamen Mode dieser Zeit, anstatt zu versuchen, die Mode zu brechen, mit ihren eigenen Mitteln, wie wir, die besseren Leute.«
    Reuland sperrte den Mund auf, riß die Augen auf. Regen glänzte auf seiner Stirn, er konnte nicht sprechen, nur ein gurgelndes, würgendes Stöhnen brach hervor, als Cordula sagte: »Ich hab noch ein Zitat für dich – von Pasolini, weil du doch Perverse so haßt: ›Wenn Athene ihre Rolle gespielt hat, überleben die Furien – ungebändigt,

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