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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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genau wiedergeben, was im Kopf Ihrer derzeitigen Auftraggeberin, Frau Cordula Späth, für die Wahrheit hinter jedem derzeitigen bedauerlichen historischen Zustand der Menschheit gilt. Der weibliche Messias im Weltbild der Frau Späth sind Sie. Inwieweit Ihre mathematischkategorientheoretische Arbeit einer kabbalistischen Lesart in diesem Sinne – bedenken Sie: Morphismen sind wichtiger als Objekte, wie für den bösen Gott Taten wichtiger sind als reine platonische Formen oder Ideen – offensteht, bittet mein Lehrer Sie, ernsthaft zu prüfen.
    In der Hoffnung, Ihnen mit dieser rechtzeitigen Warnung nicht allzuviel wertvolle Arbeitszeit gestohlen zu haben – er hat Ihre bisherige, durch die jüngsten Ereignisse unglücklicherweise unterbrochene Reihe von Publikationen aufmerksam verfolgt und ist von ihrer Schönheit ebenso angetan wie ich selbst, besonders der Kommentar zur alten Kopf-Otáhalová-Theorie betr. Algebrageneratoren und Informationstheorie und die Bemerkungen zum ›Messen des Informationsgehalts eines Objekts in einer Abelschen Kategorie‹ haben uns stark beeindruckt –, läßt er Ihnen seine herzlichsten Grüße und besten Wünsche ausrichten, denen ich mich vorbehaltlos anschließe.
    Philip Klatt«
    Natürlich löschte Lena diesen absurden Kram sofort, nachdem sie ihn, um der Pflicht Genüge zu tun, an Cordula geforwarded hatte. Aber es dauerte doch ganze drei Tage, bis sie wieder in ihre Arbeit zurückfand, und das auch erst, nachdem Cordulas Antwort endlich eingetroffen war:
    »Hi Lena!
    Mein kleiner Haufen ist voller Spaßvögel, vor allem im Internet-Rekonstruktions-Projekt; Leuten, die natürlich wissen, wie man Dich erreicht. Ich habe dem verantwortlichen Hacker erklärt, daß solche Witze bei Dir nicht zünden und ich es nicht schätze, wenn man Dir, wie die Mail ja selber zugibt, Deine wertvolle Zeit stielt. Das dürfte, solange Du in der Hütte wohnst, der letzte Spam gewesen sein, mit dem man Dich behelligt.
    Cheers,
    C.«

ACHTUNDVIERZIGSTES KAPITEL
    Noch mehr A
    1  »There is no such thing as society« – das hat die vom Kapitalismus ehrlich überzeugte, sehr kluge, also mit den weiter als bloß bis zur Bank reichenden Implikationen ihres Lieblingswirtschaftssystems entsprechend wohlvertraute ehemalige britische Premierministerin Margaret Thatcher gesagt. An das in diesem, ihrem klügsten prokapitalistischen Satz eingerollte Programm hat das leitende Personal des Kapitals, allerdings mit weniger hübschen, aber genauso deutlichen Formulierungen – solchen der Tat meistens –, sich nach dem Wegfall der Aufhol-Sozialismen des Ostens überall gehalten.
    (…) Der Rückruf des toten Subjekts in die lebendige Geschichte als riesige Freihandelsoffensive: Jetzt sofort galt es, den wirklichen, den nicht länger aufgrund taktischer Erwägungen einzuschränkenden Weltmarkt herzustellen, weg mit der Kristallkugel, weg mit Planung und Verwaltung, die neue Gesellschaft sollte keine mehr sein, Sozialisierung negativ, unterm alles andere fungibel machenden Kapital.
    GATS (General Agreement on Trade in Services) war nur der dreisteste, Gesamtgesellschaftliches privatrechtlich atomisierende Schritt: Mit diesem multinationalen Vertragswerk sollten die Rahmenbedingungen der umfassendsten Gesellschafts- nämlich Staatsabschaffung (»Privatisierung«) tendenziell weltweit abgesteckt werden. Zerschlagung von Friedens-, das heißt, dem nuklearen Patt geschuldeten Extrawürstchen für die Verhexten, Zerstörung der bescheidenen Errungenschaften von 150 Jahren Arbeiterbewegung in den kapitalistischen Zentren, Kodifizierung neuer postkolonialer Raubformen, abgesichert von militärischer Macht, Beseitigung sämtlicher Spuren der Idee und Wirklichkeit von was anderem. Hat es das mal gegeben, Verstaatli chung? Nicht nur bei Dienstleistungen und Infrastrukturträgerbranchen, sondern, zumindest als Traum, sogar bei produktiven Schlüsselindustrien? Metall und Energiewirtschaften hatten sie dreißig Jahre vorher schon mal fast sozialdemokratisiert. Plastik hätten sie als nächstes angreifen sollen. Auch die Bauern waren, zumindest europaweit, qua »Subven tionen« genannter Staatsquotenzuteilungen, schon die katholische fünfte Kolonne gewesen. Auf einmal war das alles weg, Rollback. Menschenrechte, Umweltschutzbestimmungen: Tut uns leid, können wir nicht machen, wo es den Freihandel stört, und Wahlen sollten vom Wahlvolk noch nicht erschlossener Gegenden besser auch dazu genutzt werden, ein günstiges

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