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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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zu beenden. Sie rücken an – und wir verlassen die Festung. Wir greifen sie an, wir alle, niemand bleibt zurück. Wir müssen sie zerstreuen, wir müssen sie unterwerfen. Und dazu brauchen wir keine Kugeln. Dazu reicht das, was sie am meisten fürchten.«
    Ich habe Luft geholt, nach diesem Satz, und der Krieg hat auch Luft geholt – die Schüsse pausierten, das Schlachtfeld schwieg fast eine halbe Minute lang.
    Und dann habe ich unseren Leuten meinen Plan erklärt, mit einem einzigen Satz, einen Plan, der keiner war, sondern bloß Wahnsinn, nichts als Wut auf dieses Gesocks, das sich nicht in die Erde verkrümeln will, wo es hergekommen ist, wo es hingehört: »Auf meinen Befehl: fixiert die Bajonette!«
    Und unsere Leute antworteten mir, mit einem mordlüsternen Gebrüll, wie ich’s noch nie gehört hatte und, wenn Gott gnädig ist, nie mehr hören werde. Dann haben wir den Gewehren die scharfen Klingen aufgesetzt, unsere Stellungen verlassen und unsere Arbeit getan.

20. Elul, siebtes Feldzugsjahr (später geschrieben)
    Früher Nachmittag; aber der Himmel war dunkel vom Rauch, vielleicht zum letzten Mal.
    Heute hörte man es im Radio, und auf allen Funkkanälen, auch in den knappen Gesprächen der Frauen und Männer, auch in den kurzen Grüßen der Leute auf den Posten, die wir passierten, auf der Straße und an den Hängen, wo schon wieder Schafe weiden: Es ist vorbei, wir haben gewonnen. Niemand wußte, wie das passiert war. Wann sehen wir uns wieder? Dieses Jahr in Jerusalem.
    Wir saßen auf der Mauer, wie damals ohne ihn im katholischen Kinderhort, als olympische Götter, und später mit ihm auf der kleinen Ummauerung am Friedhof nahe der Abfahrt nach Langenau, hatten uns da hingesetzt, Philip und ich, und schauten zu, wie Jerusalem brannte. Die letzten Feuer des Krieges, reinigend wahrscheinlich, auch schön, um ehrlich zu sein. Er trug jetzt einen breitkrempigen schwarzen Hut, keine Kapuze mehr: »Da hätte ich längst drauf kommen können – einfach den Messerknauf kürzen, abbrechen. Ist nur noch ein kleiner Knubbel jetzt.«
    Das goldene Dach der Al-Aqsa-Moschee: Schimmer.
    »Schau, die Farbe von dem Dach – das Rot, es sieht aus wie Jennys Haare«, sagte Philip.
    Unsere Beine, mit unseren Füßen in den krachledernen, mit Fett auf Hochglanz polierten Stiefeln dran, baumelten vor dem weißen Stein überm Abgrund, und ich sagte: »Glaubst du, sie lebt noch? Irgendwo, in Europa?«
    Er lächelte: »Ich weiß es nicht, Alter«, legte mir den Arm um die Schulter, ich ihm meinen um die Hüfte, und Jenny fehlte uns sehr.
    »Was war das noch mal, diese Al-Aqsa-Moschee?« fragte er mich dann. Ich brummte: »Irgendwas mit Mohammed, der Friede Allahs sei auf ihm. Der ist entführt worden, von Engeln, und man hat ihm die Sieben Himmel gezeigt und ihn nach Jerusalem gebracht, und auf diesem Berg hat er sein fliegendes Pferd oder seine Schimäre oder worauf er geritten ist, festgebunden. Deshalb ist das Ding so heilig.«
    »Dann laß uns drauf anstoßen, wie du’s gehalten hast, Rölfchen. Mit Pisse von fliegenden Pferden. Deshalb also immer diese Kriege hier, bevor die Zombies gekommen sind.«
    So nickte weise mein Freund, den ich liebe, mit dem ich marschiert bin, Karten vollgesudelt habe, Leute in den Tod geschickt, Leute gerettet habe.
    »Wenn der Frieden kommt, sind wir hier überflüssig, Phil. Das weißt du schon, oder? Miri Eisin hat mir das gesagt, bei unserem ersten Treffen, in Hebron.«
    Er antwortete nicht direkt, sondern sagte: »Du erinnerst dich an die ses Mädchen, diese blasse Frau, Christine, mit der Jenny ganz gut konnte, die das Haus auf dem Altig hatte?«
    »Klar. Wir sind da immer hoch, im Sommer, zum Videogucken. ­Dallas und so.«
    »Genau. Die hatten dieses riesige Sofa.«
    »Couchgarnitur.«
    »Yeah.«
    Ich weiß es noch, stimmt: Das Möbel war rot, wir lagen da zusammengeknotet, gelenkig und elastisch, wie Teenager sind, mein Kopf auf Christines Schoß, meine Füße auf Phils Schultern, Phils Beine verschränkt mit Jennys, hingelümmelt, dionysisch faul, und große Schüsseln mit Flips und Chips daneben.
    Ich sagte: »Du möchtest Erdnußflips haben, um besser genießen zu können, daß uns Jerusalem heute zu Füßen liegt, isses das?«
    Er hustete, lachte, nahm den Arm von meiner Schulter, strich sich die Hände an seinen Khakihosen ab, während ich meine einfach in den Schoß legte.
    »Ich dachte nur gerade, wie friedlich das ist. Dieser Moment. Und so war es da auch. Einmal sind wir

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