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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Sesseln in scheußlichem Plüsch mit goldenen Bommeln und Tressen sowie ein paar Gemälden an der Wand, auf denen vor allem Krokodile, Nackte und Früchte gefeiert wurden.
    Lateinamerikanisches Gezupfe und Getröte machte sich hier breit, Jazz von müden Eidechsen, in der harschen Sonne lange ausgebrütet. Ein Mann, auf den der Rest der hier versammelten Gesellschaft aufmerksam achtete und der nach Roberts erstem Eindruck mindestens neunzig Jahre alt sein mußte – tatsächlich war er bereits über hundert –, winkte Robert beim Eintreten zu, der sich von dieser Geste an alte sowjetische Parteireptilien bei der Armeeparade, auf Kremlmauer, erinnert fühlte. Der wilde Bärtige namens Doktor Rock nickte, Philip grinste Robert an, zwei junge Frauen sahen zu ihm auf – sie spielten Karten, saßen auf Kissen am Boden, in Jeans, hohen Stiefeln und unterm Bauch­nabel zusammengebundenen groben karierten Hemden.
    Roberts Blick suchte nach der Frau im Nachthemd, dann sah er sie, in einer schlecht ausgeleuchteten Ecke, auf einer violetten Chaiselongue hingefläzt, einen Cocktail in beiden Händen: eine große, blumenkelchförmige Angelegenheit war das, milchig frechbunt in allen Regenbogenfarben. Stefanie, die Robert, vielleicht wegen der schweren Augenlider und weil sie dadurch aussah, als wäre sie hier nicht ganz bei der Sache, vage an Karin Lay erinnerte, saugte das vermutlich sehr süße Zeug durch einen groben Strohhalm und zwinkerte müde.
    Er hatte also doch richtig gehört: Stefanie Mehring, jetzt erkannte er sie. War dann vielleicht auch Dieter Fuchs irgendwo, und bedeutete dies, daß sein altes deutsches Vorleben, ja eventuell sogar Valerie –
    »Setz dich hin«, sagte Philip auf englisch, »Norman hält uns eine Grabrede aufs Zeitalter der Petrochemie und Ölwirtschaft.« Er ruckte mit dem Kopf in die Richtung des ehrwürdigen Alten, der in seiner khakifarbenen Safarikleidung ein bißchen wirkte wie die Kreuzung aus Yoda und Ernest Hemingway – Hemingway, genau, her place, dachte Robert verschwommen, der Traum von vorhin war noch nicht ganz weg, und ein anderer Einfall meldete sich, als Robert sich in den nächstgelegenen schweren Sessel fallen ließ: Jetzt weiß ich, was das immer für ein angenehmer Geruch ist, den ich an Philip wahrnehme. Das ist Jennifer.
    Der Alte – viel robuster als Skriba, gedrungener, hatte wahrscheinlich eine Menge körperlicher Arbeit hinter sich, mutmaßte Robert – lächelte in die Runde, als wolle er um die Erlaubnis bitten, jetzt fortfahren zu dürfen. Als niemand etwas sagte, räusperte er sich und sprach langsam, überlegt, mit großer Autorität: »Das Ganze … ahhh, der Blick ist viel zu eng.«
    Er hob das Glas mit bronzenem irischem Whiskey, das er auf ein Tablett gestellt hatte, das neben ihm auf einem putzigen Beistelltischchen stand, kippte einen riesigen Schluck die Kehle runter und setzte erneut an: »Der Untergang, liebe Freunde, datiert doch nicht erst seit Mythematik und Zombotik, es ging unbestreitbar schon lang vorher los. Es gibt im Universum des Menschen – gewiß etwas ganz anderes als das Universum an sich, aber wir kennen letzteres leider nicht, also müssen wir uns auf ersteres kaprizieren – es gibt darin eine böse Macht, und sie ist, möchte ich meinen, dem Krebs äquivalent. Man sollte vielleicht sagen: ein sozialer Krebs, ausgehend von den – wenn ich mal so marxistisch tönen darf – Produktionsweisen des zwanzigsten Jahrhunderts, mit allem Respekt vor unserem abwesenden Freund Andreas Witter, dessen Manuskript soviel Aufsehen erregt hat in den … Ausschüssen und auf den … Treffen. Was ich meine, ist eine Material gewordene Metapher, ein Bild von allem, was an besagten Produktionsweisen – nicht erst an …«, er stieß leise auf, entschuldigte sich: »Ich bin ein sehr alter Mann, ihr verzeiht … nun also, nicht erst die Produktionsverhältnisse in dem Jahrhundert, aus dem wir alle stammen, waren mies. Es war schon das Zeug selber, das produziert wurde.«
    »Welches Zeug meinst du?« fragte Philip launig, weil er es schon wußte. Der Alte seufzte. »Ja, du kennst die Leier, mein lieber Kapuziner. Ich meine Plastik. Lach nur, Philip Klatt – aber es wird die Zombies ausstechen, als der wahre Totentanz. Es ist überall drin. Metastasen bildet es, es dringt in jede Pore der Produktion, bald wird es nichts mehr geben, das nicht aus Plastik ist: Ich verfluche die ganze Petrochemie! Nicht im Verbrennungsmotor, im Plastik drückt sich das

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