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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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allerdings, der Tisch war lang.
    Er fragte kurz, erwartete kurze Antworten, wurde ungern selbst befragt, antwortete abweisend. Der Geruch war’s hauptsächlich, der ihn störte: So riechen Menschen, ist ja peinlich, viel zu einfach, eindimensionale Düfte, nicht der Reichtum von W-Parfüm, eher wie chloriertes Wasser, steril, flach. Er behalf sich heimlich mit Lavendelfläschchen aus der Apotheke – die dünne, bleiche, abgekämpft aussehende, etwa vierzig Jahre alte Apothekerin am Ort gehörte zu den wenigen Leuten, mit denen er rasch einen wenn auch wortkargen Rapport entwickelt hatte – und mit Tabakblättern, die er sich durch Zerbröseln einiger seiner ­teuer­sten Zigarren verschaffte.
    Ein bißchen schämte sich Andy dafür, diese Geruchsprothesen nötig zu haben.
    Aber es ist nicht leicht für einen großen Mann, der seine beste Zeit hinter sich zu haben glaubt, Empfindungen wie Widerwillen oder Ungeduld zu bekämpfen oder gar zu besiegen, und deshalb hoffte ­An­dreas Witter realistischerweise nicht, sich allzu bald wieder in der Lage zu sehen, Menschen um sich zu ertragen, ohne jene Unruhe zu verspüren, die man sonst nur in Gegenwart von Raubtieren empfindet. Tatsächlich litt er, den sie hier alle respektierten und ein bißchen fürchteten, ständig die völlig irrationale Angst, ihnen unter die Klauen, zwischen die Fänge zu geraten.
    Es wäre ihm vielleicht eher möglich gewesen, sich mit der Gattung, der er angehörte, zu versöhnen, wenn ihre sonstigen Angehörigen sich damit beschieden hätten, jenen Lastern und Dummheiten nachzugehen, zu denen die Natur ihnen ein Recht verliehen hatte. Keine Probleme hatte er mit dem Anblick von faulen, betrunkenen Revolutionssoldaten auf Durchreise – es wurde kaum noch irgendwo gekämpft in der Gegend, die einmal Deutschland geheißen hatte, nur in Frankfurt, Nordhessen und Teilen Bayerns gab es noch konterrevolutionäre Banden, Sabotage und ähnliches –, Anwälten, Dieben, Narren, enteigneten Reichen – hier in der Gegend waren die eh nie besonders reich gewesen, sie zu enteignen, hätte der Kapitalismus früher oder später selbst geschafft –, Spielern, aufgeblasenen Lokalpolitikern, die sich für Lenin hielten, Nutten – Zuhälter gab’s, soweit er wußte, nirgends mehr –, Verrückten, Ärzten und was man sonst so kannte. Das alles entsprach durchaus dem erwartbaren Gang der Dinge; er hatte sich nun mal drauf eingelassen, die Wirkungen der Revolution im kleinstmaßstäblichen Raum persönlich zu erleben, das war eben weniger glorreich als die aufwendigen Aktionen, das Reorganisieren und Weiterreisen, die er aus seiner Zeit als Handelsvertreter der Menschenemanzipation kannte. Aber wenn dann so ein Klumpen Angst ihm unter die Augen kam, der auch noch stolz war auf das, was sie oder er aus sich gemacht hatte, obwohl es sich dabei um etwas handelte, was man auch vor der Revolution hätte sein können, dann zerriß in Andy für finsterste Augenblicke immer wieder alle Bereitschaft zu Nachsicht und Geduld mit seinen Mitmenschen, denn es war ihnen nicht genug, so zu sein, sie waren auch noch stolz drauf – wie konnten ein bewußtloses Tier und die Sünde des Stolzes bloß zusammenfinden?
    5  Eines Abends, beim Tafeln, machte ihm ein Aedil des lokalen Bezirksrats ein Kompliment, das ihn stärker erzürnte als jede andere Bemerkung, seit er in die Stadt gekommen war: »Sie waren natürlich vorbereitet auf den Kollaps, nicht wahr? Sie hatten ja die Bücher in Cordula Späths Bibliothek studiert, wie’s im Buch A steht …«
    »Ich muß Sie enttäuschen«, sagte Andy drohend mit seiner tiefen Whiskeystimme, »aber es hat, als Millionen Menschen in anderthalb Stunden verreckt sind – von den Strahlentoten, später, nicht zu reden –, nichts genutzt, wenn man das alles gelesen hatte: Guevaras Berichte aus dem kubanischen Revolutionskrieg, Yank Levys Buch über Widerstandskrieg, Stadtguerilla, Mao über Revolutionskriege, Trotzki über den russischen Bürgerkrieg, Tom Wintringhams New Ways of War, das Pfadfinderhandbuch, Eschbachs Ingenieurswissenschaften, das ­Radio­re­pa­ra­tur­bre­vier, Jagen und Fischen, Essbare Pilze und woran man sie erkennt, Leben in der Kolonialzeit, Bau dein eigenes Blockhaus, Kamine und Heizöfen, das Kochbuch des Landstreichers, Medizin ohne Arzt, Unabhängig Anbauen, Die kleine Kräuterkunde, Survival Manual of the Navy Bureau of Weapons, Air Force Survival Techniques, der kleine Schreiner und Farnham’s

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