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Für immer in Honig

Für immer in Honig

Titel: Für immer in Honig Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Dath
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Frau Flasch? Dem Christkind?
    Philip Klatt blinzelte unsicher in die Sonne.
    Unfähig, sich darauf zu konzentrieren, daß seine kleine Gruppe eingekeilt war zwischen Nazis und Kleinkriminellen, dachte er daran, daß Zetta jetzt hinter ihm stand, und an das Blut, das er ihr vor zwei Wochen unter der Nase weggewischt hatte. Das war nach zwölf Uhr nachts gewesen: Zetta hatte bei ihm geläutet – er war endlich dazugekommen, das Schildchen »Flasch« gegen ein neues »Klatt« auszutauschen –, da stand sie, leicht gebeugt, der Gesichtsausdruck nicht leidend noch stumpf, nur geduldig, die rechte Hand preßte den Stoff ihres verdreckten Longsleeve-Shirt-Ärmels unter die blutende Nase. Sie hatte Philip mit ihrem Geläute aufgeweckt, er war angezogen auf dem Sofa beim Lesen eingeschlafen.
    »Ja, na, dann komm rein, okay?« – Ein bißchen besorgt war er gewesen, ob die fremde Frau, die über ihm wohnte, Zettas Auftritt mitbekommen hatte. Was soll’s, spät nachts, die Alte schläft wahrscheinlich.
    Zetta war ihm dankbar dafür gewesen, daß er keine Fragen stellte, sondern mit einer Rolle Zewa Wisch&Weg aus der Küche kam, als sie sich aufs Sofa gesetzt hatte. Ein paar Blatt wurden verbraucht, bis die Blutung halbwegs aufhörte. Danach waren sie zusammen auf der abgeschabten Couch gesessen und hatten MTV geguckt. Sie lehnte sich dabei an seine Schulter, und Philip, der sich das erste Mal seit fünf Monaten nüchtern alleine mit einer Frau in einem Raum befand, hatte sich gefragt, was er jetzt eigentlich damit machen konnte, sollte, wollte, mit diesem Moment, ob überhaupt, und schließlich: Ist das jetzt diese Midlife Crisis, die Faith No More früher immer so schön besungen haben? Irgendwann hatte Zetta angefangen zu schnarchen, da war ihm, wie sagt man? Ein Stein runtergefallen, vom weichen Keks oder was.
    »Verpißt euch.« Andy gab sein Bestes, ein Loch in die angespannte Stille zu pieksen.
    Nicht die drei Häscher, nicht die Leute vom Treff noch die zwei Kleinkriminellen wußten so recht, wen er damit meinte. Schacko hatte aus den vernünftigsten Gründen keine Lust, abzuwarten, bis das geklärt war. Ungeduldig zog er den zögernden Peter mit sich zur Trefftreppe. Andy wich ihm aus, hatte sich also entschieden, Nazis doch unsympathischer finden zu wollen als Dealer, Hausverbot hin oder her. Der dicke Bernd begann nun, rhythmisch mit der Faust in die flache Hand zu schlagen. Auf dem pickligen Gesicht des bleichen Schorsch regte sich etwas, vielleicht gute Laune. Astrid Riedler schob sich an den beiden Figuren, mit denen sie gekommen war, vorbei und ließ zu, daß die ihr folgten, wie unansehnliche Beiboote im Kielwasser eines gepanzerten Schlachtschiffs.
    Als Peter und Schacko sich gerade von Fette ins Innere des Treffs schieben ließen, stand Astrid vor Philip. Fette brummte: »Was willsch denn du hier, Glatze?«
    Teufel, verdeckt von den Frauen und den beiden Dealern, rief tapsig tapfer: »Mir hänn … Wir haben keine Angst vor euch!« Astrid beachtete die Rufe nicht, ebenso wenig die Rufer.
    Auch den flinken Andy, der jetzt die rechte Hand langsam zur rechten Gesäßtasche seiner zerrissenen Jeans wandern ließ, wo sein Schnappmesser verstaut war, würdigte sie keines Blickes. Ihre Augen ruhten auf Philip, dessen Blick schlammig und schlecht fokussiert war. Seine Haut fühlte sich kalt an, er dachte: Alle meine Niederlagen schwimmen auf dem See, Köpfchen in das Wasser, Schwänzchen? Nee.
    »Du willst diese Typen nicht beschützen. Die kriegen ihre Abreibung und alles ist gut«, sagte Astrid freundlich. Schorsch feuerte sie von hinten kampflüstern an: »Drück’s ihm, Asterix.«
    Hübsch beiläufig drohte sie ihm: »Noch einmal der Spitzname, und ich nehm’ dich bei den Haxen und hau’ die zwei Drogenficker mit dir klein.«
    Schorsch schmollte, Astrid wandte sich an Andy, ohne Philip aus den Augen zu verlieren: »Ich weiß nicht, was du da in der Arschtasche hast, aber wenn’s was Scharfes ist, steckt’s dir gleich im Hals.«
    Andys Arm hielt in der Bewegung inne. Er trat einen Schritt weg von Astrid und beobachtete ihre Hände: glatt, flach, gespannt vom Ballen bis in die Fingerspitzen, bereit, zuzuschlagen – gegen seine Stirn, seine Brust oder mit einem Handkantenhieb in die Halsgrube.
    Fette gab ein schüchternes Piepsgeräusch von sich, als sie sah, wie selbstverständlich Andy klein beigab. Zetta drückte sich zwischen Peter und Schacko zurück ins Gebäude. Peter, der im Türrahmen lehnte wie

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