Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
einfach, um anschließend besser schlafen zu können. Es wurde heute nicht mehr so viel getrunken wie früher, als die meisten Beamten noch keine Autos hatten und mit dem Fahrrad nach Hause fuhren. Mittlerweile war klar, dass Trunkenheit am Steuer kein Kavaliersdelikt mehr war und einem die Karriere versauen konnte. Außerdem hatten viele Polizisten ihre Eigenheime außerhalb von Bremen im niedersächsischen Umland gebaut. Und die Kollegen aus Niedersachsen hatten sich aus welchen Gründen auch immer darauf spezialisiert, Bremer Polizisten ihre Führerscheine abzunehmen, wenn sie angetrunken aus dem Nachtdienst kamen. Einmal hatte Mechthild während ihrer Zeit beim Dauerdienst erlebt, wie gleich nach Ende der Nachtschicht ein Unfall mit einem Motorradfahrer im Süden Bremens an der Grenze zu Niedersachsen gemeldet wurde. Völlig überraschend übernahm das relativ weit weg im Bremer Süden gelegene Revier den Einsatz, und der eingesetzte Streifenwagen raste zum Unfallort. Dort als Erster angekommen, hatten sie den Verletzten gleich in ihren Streifenwagen verfrachtet und waren mit ihm davongefahren. Als sich die niedersächsischen Schutzpolizisten über Funk erkundigten, ob ihre Kollegen auch die Blutentnahme durchführen würden, erklärten diese, dass sie keinen Alkoholgeruch wahrgenommen hätten.
Der Fahrer des Motorrades war ein Kollege aus dem Nachtdienst gewesen. Solche Vorfälle wurden von einigen als Anzeichen für einen falsch verstandenen Korpsgeist in der Polizei angesehen. Anschließende Untersuchungen brachten meistens nichts zutage. Polizisten wurden auf irgendeine Art und Weise von Anfang an dazu erzogen, zusammenzuhalten. Dass das automatisch auch immer zu einer Ausgrenzung führen musste, schien vielen Verantwortlichen gerade recht zu sein.
Mechthild durchquerte mit einem Morgengruß den Wachraum des Reviers und gelangte zur Treppe in die oberen Etagen des Präsidiums. Es war halb sieben, und außer ihr war noch niemand im Büro erschienen. Sie war sich sicher, dass Fritz Behrmann diese Nacht keinen Schlaf bekommen hatte. Eine ganze Wohnung erkennungsdienstlich zu durchsuchen war eine Heidenarbeit. Die aufgefundene Leiche war wahrscheinlich schon bei von Sülzen. Aber der musste warten, bis sie aufgetaut war. Bestimmt hatte er schon die Hände des Toten in warmes Wasser gelegt, um einen ordentlichen Fingerabdruck zu ermöglichen. Wenn es Lautermann war, hatten sie seine Vergleichsabdrücke. Als er wegen des Verstoßes gegen das Waffengesetz festgenommen wurde, musste er erkennungsdienstlich behandelt worden sein.
Mechthild ging nach dem jetzigen Kenntnisstand davon aus, dass der Tote Lautermann war. Warum musste er sterben? fragte sie sich. Hatte er den Täter gekannt, war er sein Komplize gewesen? Schließlich wurden die Bestellungen der Frauenkleider über ihn getätigt. Oder wurde er nur benutzt und war dem Mörder auf die Schliche gekommen? Lautermann war auf jeden Fall eine weitere Spur. Sie mussten mehr über sein Leben erfahren. Vielleicht kamen sie über ihn an den Mörder. Plötzlich dachte Mechthild an die beiden vermissten Frauen. Wenn sie wirklich in der Gewalt des Mörders waren, verringerte sich die Chance, sie lebend zu befreien, mit jeder Stunde.
Im selbem Moment, als Ayse in Mechthilds Büro trat, rief Fritz Behrmann an. Er teilte ihr mit, dass es sich bei dem Toten eindeutig um Lautermann handelte. Die Todesursache war noch offen. Äußere Verletzungen konnten sie an der steifgefrorenen Leiche nicht feststellen. Es war ihnen noch nicht möglich gewesen, ihn zu entkleiden. Der Anzug, den er trug, war gefroren.
„In der ganzen Wohnung ist nichts!“ berichtete Behrmann. „Keine Fingerabdrücke, kein Blut, keine Kampfspuren. Nicht mal Lebensmittel! Wir haben lediglich auf der Rückseite des Verschlusses der Kühltruhe, an dem das Vorhängeschloss hing, ein Fragment eines Fingerabdruckes gefunden. Wahrscheinlich von einem Zeigefinger.“
„Ja, und? Können wir den zuordnen?“ Mechthild war schon wieder übernervös.
„Leider nein, viel zu wenig. Aber er ist eindeutig nicht von Lautermann. Wir gehen davon aus, dass er vom Täter ist. Ich nehme an, dass er die ganze Wohnung sorgfältig gesäubert und alle Flächen abgewischt hat. Dabei konnte er die Rückseite des Verschlusses nicht mitreinigen.“
„Gut, Herr Behrmann. Was ist mit dem Computer? Kann man damit noch was anfangen?“
„Einer meiner Leute aus dem Tagesdienst sitzt seit heute Morgen dran. Wir haben für solche
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