Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
entspricht er damit der psychologischen Konstellation der meisten Männer.“
Ein Raunen und Bekundungen leichter Empörung ging durch den Raum.
Schultze lächelte. „Sie dürfen das nicht falsch verstehen. Die Suche nach Geborgenheit und Schutz ist etwas völlig Natürliches. Bei unserem Täter ist sie möglicherweise aber so extrem ausgeprägt, dass er sie für sich auf Dauer sozusagen konservieren muss.“ Schultze wies noch einmal auf das Vakuum in den Plastiksäcken hin, in denen die beiden Leichen gefunden wurden.
Ayse Günher fragte Schultze, warum der Täter dann die Opfer durch eine Fettabsaugung verstümmelte.
„Das kann ich noch nicht nachvollziehen. Er will sie in ein bestimmtes Bild bringen, das er von ihnen haben möchte. Ich weiß nicht, warum er das tut, aber es ist ein eindeutiger Hinweis darauf, dass er psychisch schwer gestört oder sogar geisteskrank ist.“
„Das heißt, er tickt nicht nach unseren Regeln“, konstatierte Heller. „Was vielleicht auch erklärt, warum wir mit unseren klassischen Ermittlungsansätzen nur so schwer vorankommen.“
„Das sehe ich anders, Herr Heller“, erklärte Mechthild Kayser mit erhobener Stimme. „Unsere Ermittlungen laufen genau richtig. Wir sind dem Täter doch auf der Spur. Dass wir Lautermanns Wohnung gefunden haben, bestätigt das.“
Mechthild hatte plötzlich das Gefühl, dass sie ihre bisherige Arbeit verteidigen musste. Sie wollte nicht zulassen, dass der Eindruck entstand, alles bisher Geleistete wäre für die Katz gewesen. Jetzt bloß nicht den Mut verlieren. Sie überlegte, wen sie als Nächstes berichten lassen sollte. Ihre Wahl fiel auf ihren Stellvertreter. Kurt Roder war bei der Obduktion von Lautermanns Leiche anwesend gewesen.
Roder musste seine eben noch demonstrierte Unzufriedenheit beiseiteschieben und berichtete in bekannt nüchterner Art und Weise über die Erkenntnisse, die von Sülzen der Leiche entlockt hatte. „Todesursache war eindeutig ein Herzstillstand, verursacht durch einen Würgeangriff von hinten. Der Täter hat sorgfältig gearbeitet und keine Spuren hinterlassen. Todeszeitpunkt steht noch nicht fest. Die Leiche wurde sofort eingefroren. Es haben sich nicht mal Leichenflecken bilden können. Von Sülzen geht von mehreren Wochen aus. Und Lautermann war schwul. Fissuren am Schließmuskel und im Bereich des Enddarms belegen, dass er Analverkehr hatte. Und das Schönste: Er war HIV-positiv. Wenn unser Täter was mit ihm hatte, wird ihn also bald seine gerechte Strafe ereilen“, sagte er verächtlich. Roder hasste alle Schwulen. Für ihn waren sie krank, abnorm. Und vor allen Dingen verweichlicht, keine Männer eben.
„Aber darauf können wir nicht warten, Herr Roder“, wies Mechthild ihn zurecht. Sie befasste sich nicht weiter mit ihrem Stellvertreter, aber wunderte sich über seine schlechte Laune. Das war bei Roder kein gutes Zeichen, und ihr fiel wieder ein, dass er insgeheim gegen sie eingestellt war. Sie musste vorsichtig sein.
Ludovic und Stein erstatteten ausführlich Bericht. Ganz besondere Aufmerksamkeit erregte die Tatsache, dass der Tanzpartner der beiden verschwundenen Frauen einen grünen Transporter fuhr. Und seine gepflegte Erscheinung, sein höfliches Auftreten, die ausgeprägten Umgangsformen.
Mechthild hätte es gerne selber eingebracht, um Roder eins auszuwischen, aber Ayse Günher war schneller. „Deckt sich gut mit dem, was Kollege Schultze uns von Anfang an gesagt hat: weltmännisches Auftreten, grüne Umgebung, Bäume und so weiter. Der Typ lebt auf dem Land.“
Schultze lächelte zufrieden. „So weit würde ich noch nicht gehen, Frau Kollegin. Es könnte auch ein großes Parkgrundstück mit Villa in Oberneuland oder Borgfeld sein. Aber ich gebe Ihnen recht: Es wird schon irgendwie idyllisch sein. Und wahrscheinlich groß, damit er unbemerkt seinem Tun nachgehen kann.“
Mechthild bedankte sich bei Ludovic und Stein und wollte gerade dem sehr müde wirkenden Fritz Behrmann das Wort erteilen, als Bernd Schultze sich noch einmal zu Wort meldete. „Eine Idee noch, wenn es gestattet ist. Wenn Lautermann im Homosexuellenmilieu verkehrt hat, dann sollte man mit Wolfgang Tölling sprechen. Der war früher Sachbearbeiter für homosexuelle Straftaten. Nach der Strafrechtsreform 1973 und den damit verbundenen Lockerungen der Verfolgung von Homosexuellen durch die Polizei hat er zwar nach und nach seine Daseinsberechtigung verloren, aber der wusste alles, was im Milieu passiert ist.
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