Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
Ermangelung einer Zapfanlage nur Flaschenbier auf einem aus Kisten gezimmerten Tresen gab, und war auf dem Weg zum Steintor, als sie am Sielwall von einigen Rockern aus Hamburg angemacht wurde. Sie versuchten, sie gewaltsam in die dunkle Henriettenstraße zu ziehen. Mechthild hatte panische Angst, dass ihr etwas angetan werden würde. Da kam Freistein mit seinen muskelbepackten Freunden Ringo und Fätti um die Ecke und stürzten sich sofort auf die lederbekleideten Übeltäter. Mechthild war gerettet und machte sich mit einem großen Schreck in den Knochen davon. Sie konnte nicht sicher sein, dass es Freistein und seinen Freunden wirklich darum ging, ihr zu helfen. In dieser Zeit gab es gerade in Hamburg auf dem Kiez heftige Auseinandersetzungen zwischen Zuhältern und Rockern. Und es war gut möglich, dass Freistein und seine Kumpane die anderen auch ohne einen weiteren Grund verprügelt hätten.
Später, als junge Polizistin im Viertel, hatte Mechthild noch manches Mal mit Freistein zu tun. Er hatte mittlerweile eine andere Kneipe namens Journal eröffnet, und es war bekannt, dass dort viele verbotene Geschäfte abgewickelt oder geplant wurden. Doch Mechthild vergaß nicht, dass Freistein ihr geholfen hatte. Natürlich kam sie ihm als Polizistin in keinerlei Weise irgendwie entgegen, aber sie verhielt sich immer ausgesprochen fair.
Heute, und das wusste sie nur zu genau, gab es Kriminelle wie Freistein so gut wie gar nicht mehr. Leute wie er waren ganz bestimmt keine Freude für die Gesellschaft gewesen, aber sie hatten auch so etwas wie eine Ganovenehre. Sie waren Berufskriminelle, aber bestimmte Dinge taten sie nicht. Heute besetzte zunehmend eine organisierte, kriminelle Kraft mit brutalen Mitteln die lukrativen illegalen Felder. Bis in die sechziger, siebziger Jahre war das anders. Da wusste die Polizei in dieser Stadt ziemlich genau, wo sie ihre „Schützlinge“ zu suchen hatte. Und Übergriffe auf Polizisten waren die Ausnahme. Wenn man erwischt wurde, hatte man eben verloren und wanderte in den Knast. Kapitale Verbrechen waren in Bremen selten. Und die meisten wurden schnell aufgeklärt. Unterweltgrößen konnte man beim Einkaufen genauso leicht treffen wie im Judoclub. Es bestand sogar so etwas wie ein eingeschränkter Austausch zwischen Polizei und Unterwelt. Beide Seiten sorgten für eine gewisse Ruhe in der Stadt. In diesen Zeiten war die Bremer Gaunerwelt auch hauptsächlich daran interessiert, Eigentumsdelikte und Zuhälterei auf einem erträglichen Niveau zu betreiben. Organisierter Menschenhandel, Zwangsprostitution, Schleuserbanden und Drogenhandel im großen Stil erschienen in der Kriminalstatistik erst, als die großen Zeiten von Freistein und Konsorten schon vorbei waren.
Ende der sechziger Jahre gab es in Bremen nur zwei Beamte, die sich bereit erklärt hatten, in Drogensachen zu ermitteln. Einem von ihnen wurde bei Ermittlungen in einer als Drogenumschlagplatz bekannten Kneipe, dem mittlerweile legendären Montparnasse, unbemerkt ein LSD-Trip in die Cola geworfen, und er machte ungewollt eine Reise in seine eigene Psychedelic-Show. Es herrschten in gewisser Weise eben noch ruhigere Zeiten. Heute hatten Drogenfahnder keine Alibifunktion. Sie waren hochspezialisierte Ermittler, die national und international tätig waren. Die kriminelle Welt war eine vollkommen andere geworden. Hohe Mobilität und die neuen Kommunikationsmöglichkeiten machten den Aufbau krimineller Netze möglich. Es war so etwas wie ein weltweiter Markt entstanden. Grenzen spielten keine Rolle mehr. Es war möglich geworden, in kriminelle Vorhaben genauso zu investieren wie in normale Wirtschaftsbereiche. Verbrecherische Filialen wurden eröffnet und aus den gleichen Gründen wieder geschlossen, wie ein legales Wirtschaftsunternehmen auch handeln würde, wenn die Rendite nicht stimmte. Kriminell erwirtschaftete Gelder zu legalisieren schien auch kein Problem mehr zu sein. Die nationalen Polizeibehörden hingen dieser Entwicklung noch weit hinterher. Die Politik entwickelte nur zurückhaltend eine Strategie gegen organisierte Kriminalität. Mit der Bekämpfung des international organisierten Verbrechens waren auch nicht wirklich Wählerstimmen zu ergattern. Und der Durchschnittsmensch war nur selten direkt betroffen. Ihn scherten immer andere Dinge. Dass kriminelle Macht, verbunden mit wirtschaftlicher Macht, auch politische Macht bedeutete, schien die meisten Verantwortlichen nicht dringend zu interessieren. Die damit
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