Fuer immer mein - Mechthild Kaysers erster Fall
erinnern.“ Dabei lachte sie.
Mechthild war völlig erstaunt. Solche Äußerungen hatte sie noch nie von ihrer Freundin gehört. Aber Schultze lächelte jetzt so freundlich und liebenswürdig, dass sie einfach keine Möglichkeit fand, sich anders zu verhalten, als ihn zu bitten, seine Erkenntnisse preiszugeben und zu erzählen, was er glaubte. Sie konnte es kaum fassen, sich darauf eingelassen zu haben. Sie, die Chefin der Mordkommission, die Fingerabdrücke, genetische Spuren und Aussagen und Erkenntnisse aus dem Umfeld der Opfer als harte Fakten für ihre weiteren Ermittlungen verwendete, begab sich nun auf ein Feld von Fiktion und Phantasie.
Bernd Schultze trank sein Bier aus, lehnte sich entspannt nach vorn auf den Tisch und begann mit leiser Stimme zu sprechen: „Ich bin natürlich erst am Anfang, und ich kann noch nicht sehr viel sagen. Aber ich weiß Folgendes.“
Er weiß, er weiß! dachte Mechthild und hätte am liebsten die Hände über ihrem Kopf zusammengeschlagen. Damit kann man doch nicht vor Gericht gehen!
Als ob Schultze ihre Gedanken gelesen hätte, fuhr er fort: „Natürlich kann man meine Erkenntnisse nicht vor Gericht aussagen. Aber darum geht es auch nicht. Meine Gedanken sollen die Aufmerksamkeit der beteiligten Ermittler schärfen und Hilfestellung geben. Also noch mal: Ich habe mir die Akten genau durchgelesen und bin dann lange bei den beiden toten Frauen gewesen. Sie waren glücklich, fröhlich. Im eigentlichen Sinne euphorisch, bis der Tod sie überraschte. Ihre Seelen waren nicht darauf eingestellt, dass sie sterben würden.“
„Was meinen Sie denn damit?“ unterbrach ihn Mechthild kritisch. „Wer ist denn schon darauf eingestellt, ermordet zu werden?“
Bernd Schultze gefiel diese Unterbrechung nicht. Aber er wusste auch, dass er Ayse und Mechthild nicht zu viel abverlangen durfte. Sie waren gewohnt, mit harten Fakten umzugehen. Also musste er ihnen auch mit Fakten kommen. „Es gibt diese Unterschiede! Nehmen Sie zum Beispiel ein Folteropfer. Es rechnet jeden Tag damit, von seinen Peinigern umgebracht zu werden. Manche von ihnen wünschen sich geradezu, endlich zu sterben. Das meine ich. Das ist ein Unterschied.“ Bernd Schultze hatte seine Stimme deutlich erhoben. Er hatte das Gefühl, sich mal wieder verteidigen zu müssen. Das hatte ihn in der Vergangenheit schon häufig völlig blockiert. In dieser Falle durfte er nicht bleiben. Er schloss für einen Moment die Augen und beruhigte sich, bevor er fortfuhr. „Die beiden toten Frauen rechneten nicht damit, ermordet zu werden. Das bedeutet, sie waren in einer Atmosphäre, die keinen Anlass bot, darauf eingestellt zu sein, dass ihnen etwas geschehen könnte. Es herrschte bei beiden so etwas wie eine Verliebtheit. Ich habe Wälder und Wiesen gesehen. Ich kann nicht genau sagen, ob das auf den Tatort hinweist, oder ob es nur die angenehme Stimmung unterstreicht, die vor ihrem Ableben herrschte. Ich weiß es noch nicht.“ Dann machte er eine Pause und wartete auf die Reaktion seiner Gegenüber.
Mechthild spürte ihre innere Verweigerung, sich mit diesen angeblichen Erkenntnissen auseinandersetzen zu wollen. Aber Ayse schien Schultze ernst zu nehmen und sehr interessiert zu sein. Sie wollte gleich noch mehr wissen. „Kann man das so verstehen, dass die beiden Frauen freiwillig mit dem Täter zum Tatort gegangen sind? Weil er ihnen vielleicht etwas Schönes vorgegaukelt hatte?“
Mechthild war fassungslos. Jetzt stieg ihre beste Freundin auch noch auf diesen Quatsch ein. Aber sie wollte Ayse nicht vorführen. Irgendwann würde dieses Gespräch ja zu Ende sein, und dann könnte sie ein ernstes Wörtchen mit ihr reden.
Ermuntert durch Ayses Nachfrage, schien Schultze jetzt in Fahrt zu kommen. Seine Augen begannen zu leuchten, als wenn sie ein verführerisches Signal erhalten hätten. „Davon gehe ich aus. Der Täter ist ein Meister der Verstellung. Er ist charmant, umgänglich, hat gute Manieren. Sieht vielleicht sogar gut aus. Die beiden Frauen wollten etwas von ihm. Sehen Sie, von Sülzen sagt in seinem Bericht, dass die Frauen keinerlei anderen Attacken ausgeliefert waren als dem tödlichen Stromschlag. Sie wurden nicht niedergeschlagen, festgehalten oder so etwas. Sie sind ihm vertrauensvoll gefolgt. Und Sie müssen bedenken, dass es sich um Frauen gehandelt hat, die im Allgemeinen über eine weit größere Intuition als Männer verfügen, also eine drohende Gefahr doch hätten spüren und misstrauisch werden müssen.
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