Gaelen Foley - Amantea - 03
erleich- tert. Sie hielten mit ihren Pferden an der Stelle, wo er bereits ungeduldig ihrer harrte.
„Wie wollen Sie weiter vorgehen, Rafael?“ fragte Elan rasch und wischte sich mit dem Unterarm den Schweiß von der Stirn.
„Wir werden ihn umzingeln. Sie und Niccolo reiten ans südliche Ende der Zitadelle ...“
Plötzlich erfüllten schreckliche Schreie und angstvolles Wiehern die Luft, die einem das Blut in den Adern ge- frieren ließen. Es klang fast so, als würden Menschen und Pferde abgeschlachtet. Fluchend wendete Rafael seinen Wallach.
„Vorsicht!“ rief Elan, als sie ihre erschöpften Pferde dazu
zwangen, in die Richtung der markerschütternden Schreie zu galoppieren.
Der Wald war nicht tief. Die überwachsene Straße führte etwa fünfzig Ellen weit, bis sie auf offene Felder trafen, welche die Ruine umgaben.
„Beeilt euch!“
„Ich glaube nicht, dass wir noch etwas tun können!“ sagte Niccolo erschüttert.
Die furchtbaren Schreie wurden schwächer.
Sie ritten aus dem Wald. Der Weg vor ihnen führte durch ein vertrocknetes Feld und dann einen Hügel hoch.
„Ich kann niemand sehen!“ erklärte Adriano und blickte sich gehetzt um.
Die Laute, die inzwischen zu einem grässlichen Stöhnen geworden waren, schienen vom hinteren Teil des Hügels zu kommen.
„Oh mein Gott“, flüsterte Rafael und sah auf den Weg vor ihnen. Sein Pferd scheute vor den Schmerzenslauten, doch er zwang es dazu weiterzutraben.
Vorsichtig bewegten sie sich vorwärts.
Als sie oben ankamen, erstarrten alle vor Entsetzen. Doch schon im nächsten Moment sprangen sie aus den Satteln und rannten zum Rand der mit spitzen Eisenpfählen versehenen Grube. Drei Pferde und zwei der Männer waren bereits tot, aufgespießt auf diesen schrecklichen Folterwerkzeugen, die Orlando hatte errichten lassen.
Rafael glitt durch den Schlamm zum letzten Überlebenden, doch der röchelnde Mann starb, als er ihn erreichte.
Dann senkte sich Stille herab.
Eine unheimliche, grauenhafte Stille. Die finsteren Mau- ern der Zitadelle erhoben sich über ihnen in den Himmel. Die Festung war nicht einmal eine Viertelmeile entfernt.
„Oh mein Gott“, sagte Rafael nach einer Weile und blickte auf die Toten.
Die anderen schwiegen.
Finster sah er seine Freunde an. Ihm war klar, dass wei- tere tückische Fallen auf sie warten konnten. Die drei wa- ren seine engsten Freunde, und er hätte es nicht ertragen, sie zu verlieren. Am liebsten wäre er umgekehrt, da er fürchtete, dass sie es nicht alle lebend aus dieser Hölle schaffen würden. Doch wenn er nun aufgab, würde er viel- leicht nie wieder eine Gelegenheit bekommen, Orlando zu fassen.
Er durfte nun nicht mehr als ihr Freund denken. Er musste wie ein König handeln.
Elan hatte seine Augengläser abgenommen und sah weg. Er war grünlich geworden, Adriano kreidebleich. Niccolos Gesicht verzog sich vor Hass, während er auf die Zitadelle starrte.
„Da!“ rief er plötzlich. „Auf den Boden!“
Eine Kugel schlug neben Rafael ein.
Die Freunde ließen sich fallen. Für den Moment waren die Toten vergessen. Flach auf dem Boden am Rand der Grube liegend, zielte Niccolo mit seiner Pistole.
„Was tun Sie da?“ fragte Rafael ihn.
„Sparen Sie sich Ihre Kugeln. Von hier werden Sie ihn niemals treffen“, sagte Adriano mit seltsam ruhiger Stimme.
„Sie haben Recht, di Tadzio“, murmelte Niccolo. „Das stimmt.“
Rafael sah zu, wie der braunhaarige kräftige Mann auf seinem Rücken in die Grube rutschte. Er sah so aufgebracht aus, dass er beinahe irre wirkte. Rasch stieg er über den toten Hauptmann der Leibgarde und nahm dessen Gewehr.
Rafael sagte: „Ich will ihn lebend. Denken Sie daran!“
Zornig drehte sich Elan zu ihm um. „Selbst jetzt wollen Sie ihn noch schonen?“
„Gerade jetzt“, erwiderte Rafael finster.
Niccolo kletterte wieder aus der Grube und legte sich dann mit dem Bauch auf den Boden, um zu zielen. „Dann ver- haften Sie mich, Rafael. Ich will, dass er stirbt.“ Er drückte ab.
Ein Schrei ertönte.
„Sie haben ihn getroffen!“ keuchte Elan.
Orlandos schwarzes Pferd sprang hinter den Büschen her- vor, wo sich der Herzog versteckt hatte. Er klammerte sich an den Sattel. „Haben Sie ihm nun eine Kugel verpasst oder nicht?“ fragte Elan aufgebracht.
Niccolo antwortete nicht, sondern lud das Gewehr ein weiteres Mal.
„Nein, Sie haben das Pferd getroffen“, murmelte Rafael und beobachtete, wie der stolze Hengst schließlich taumelte und nach vorn
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