Gaelen Foley - Amantea - 03
„Das bezweifle ich.“
„Nehmen Sie sich die Bücher des Steuereintreibers die- ser Region vor, Königliche Hoheit. Dann finden Sie einen wirklichen Verbrecher.“
Rafael kniff die Augen zusammen. „Was wollen Sie damit sagen, Signorina?“
„Sie werden es schon verstehen.“
„Gaunerei gibt es unter der Herrschaft meines Vaters nicht. Nicht einmal eine Biene würde es wagen, ihren Nektar aus der falschen Blume zu holen, wenn König Lazar di Fiore es ihr nicht erlaubt.“
„Sagen Sie das Conte Bulbati.“
„Wer ist das?“
„Der Mann, der jedes Mal meine Steuern erhöht, wenn ich mich weigere, ihn zu heiraten.“
Rafael horchte auf. Innerlich nahm er sich vor, die Sache näher zu untersuchen, doch für den Augenblick konzentrierte er sich auf Daniela. „Warum lehnen Sie ihn ab? Würde eine passende Heirat denn nicht Ihre Situation erleichtern?“
„Vielleicht. Aber zum einen ist Conte Bulbati ein korrup- ter, gieriger Mensch, und zum anderen werde ich ihn niemals heiraten. Nicht mehr.“
„Aber warum nicht?“ wollte Rafael überrascht wissen, auch wenn er selbst diese Worte schon unzählige Male geäußert hatte.
Sie hob den Kopf und blickte in den nächtlichen Himmel. „Weil ich frei bin.“ Mit einer Hand wies sie auf die Villa.
„Unser Haus mag einige Reparaturen benötigen, aber zu- mindest ist es mein Haus. Und dieses Land mag zwar nicht sehr ertragreich sein, doch auch das gehört mir. Alles ist mir bis zu meinem Tod überschrieben worden. Wie viele Frauen können sich so glücklich schätzen?“
Rafael blickte um sich und verstand nicht, dass sie dankbar war, wenn es nicht einmal genug zum Essen gab. „Es sieht für mich nach viel Arbeit und Kopfzerbrechen aus. Sonst nichts.“
„Ich muss keinem außer mir selbst Rede und Antwort ste- hen“, erwiderte sie. „Warum sollte ich mich einem Menschen ausliefern, der nicht besser ist als ich, sondern mir wahr- scheinlich in fast jeder Hinsicht unterlegen?“ Sie zuckte die Schultern. „Ich nehme nicht an, dass Sie das verstehen. Es ist nur die Entscheidung, die ich getroffen habe.“
„Die Wahl, die Sie getroffen haben“, wiederholte er, da er sonst nichts zu erwidern wusste. Sie schien ihr Leben selbst bestimmen zu können, was er von sich wahrhaftig nicht behaupten konnte.
Dieser Gedanke ärgerte ihn.
Da hörte er Pferdehufe. Als er aufsah, entdeckte er die Soldaten, die aus dem Wald auf ihn zuritten. Sie hatten sein Gold, aber keinen maskierten Reiter. Er warf einen finste- ren Blick über die Schulter auf Daniela Chiaramonte, die ihre Hände vor ihrer übermäßig schlanken Taille gefaltet hielt.
Einen Moment lang hatte er daran gedacht, zwei Soldaten vor der Villa zu postieren, um sie und ihre Familie zu be- schützen. Doch nun ließ er die Idee fallen, da er bezweifelte, dass der maskierte Reiter eine echte Bedrohung für sie dar- stellte. Der Vertraute des Gesetzesbrechers schien schließlich ihr Geliebter zu sein.
Dieser Gedanke stimmte ihn noch finsterer. „Wenn Sie mich nun genug belehrt haben, Signorina Daniela, werde ich gehen. Der König erwartet mich.“
„Leben Sie wohl, Hoheit“, sagte sie höflich. „Und herzli- chen Glückwunsch zum Geburtstag.“
Wagte es dieses kecke Geschöpf etwa, ihn zu verspotten? Er schaute sie scharf an, da er ein leises Lachen in ihrer Stimme zu vernehmen geglaubt hatte. Dennoch wäre er am liebsten zu ihr hingegangen und hätte ihr das zufriedene Lächeln von den Lippen geküsst. Doch stattdessen stieg er auf sein Pferd, um so weit wie möglich von ihr fortzureiten. Er war geübt im
Vergessen von Frauen. Und diesen kleinen Wildfang wollte er auf der Stelle aus seinem Gedächtnis streichen.
Zu spät erinnerte er sich jetzt daran, dass er sich vor vielen Jahren geschworen hatte, nie mehr Frauen in Not beizustehen.
Als er das Pferd antrieb, schickte er Signorina Daniela in Gedanken in die Hölle.
Don Giovanni selbst hätte nicht gewusst, wie er sie ver- führen könnte.
3. KAPITEL
Rafael, der nach seinem Treffen mit der verwirrenden Si- gnorina Daniela noch schlechter gelaunt war als zuvor, ritt den Rest des Weges nach Belfort, ohne einen Augenblick anzuhalten.
Als sie zum Herz der kosmopolitischen Hauptstadt vor- drangen, wurden die Straßen von gusseisernen Laternen be- leuchtet, und nichts erinnerte mehr an die hässlichen Viertel, die er kurz zuvor durchquert hatte. Hier befanden sich noch immer Menschen auf der Straße, die die kühle Nachtluft genossen. Überall war
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