Gaelen Foley - Amantea - 03
diesen oberflächlichen Menschen aus. Ein seltsames Gefühl der Zuneigung überkam Rafael. Als er die Leute um sie herum musterte, konnte er weder einen Begleiter noch eine Anstandsdame ausmachen. Amüsiert zog
er die Augenbrauen hoch. Vielleicht hatte sie endlich doch verstanden, was er von ihr wollte.
Eines war jedenfalls klar: Sie befand sich hier auf unsiche- rem Terrain. Er beobachtete, wie Niccolo, einer seiner skru- pellosen Freunde, sich ihr vorstellte und sie bereits wenige Momente später gegen eine Marmorsäule drängte.
Rafael sah eine Weile mit finsterer Miene zu. Dann lächelte er, als sie sich von Niccolo losriss und weiterging.
Er entschloss sich, sie unter seine Fittiche zu nehmen, be- vor ein anderer sich zu ihr gesellte. Wenn irgendjemand auf diesem Ball das Recht hatte, mit ihr zu schäkern, war er das. Vermutlich war dies genau das Richtige, um seine Stimmung zu heben. Er rief nach Adriano und Tomas, die in einem Sa- lon hinter ihm saßen und rauchend über Pferdewetten spra- chen. Rasch eilten sie an seine Seite. Rafael deutete in die Menge.
„Seht ihr die junge Dame mit dem blauen Kleid, die dort drüben neben der Palme steht?“
„Wer ist sie?“ erkundigte sich Adriano.
„Ihr Name tut nichts zur Sache“, erwiderte Rafael, ohne den Blick von Daniela zu wenden.
„Hübsches Mädchen“, bemerkte Tomas.
„Ich will sie“, murmelte Rafael. „Bringt sie zu mir.“
Unsicher sah Tomas ihn an, als wüsste er nicht, ob sich der Prinz einen Scherz erlaubte. „Wirklich? Sie sieht sehr jung aus. Die Dinge liegen nun anders, seit Sie Prinzregent geworden sind. Sie können nicht einfach ...“ Er sprach den Satz nicht zu Ende.
Rafael erwiderte nichts, da es unter seiner Würde war, Er- klärungen abzugeben. Immer noch beobachtete er Daniela, die sich anmutig durch die Menge bewegte. Verstohlen mus- terte sie die anwesenden Gäste, und Rafael musste lächeln. Was hatte die Kleine vor?
Ach, er hatte schon immer eine Schwäche für ungewöhn- liche Menschen gehabt.
„Gut, Hoheit“, sagte Tomas schließlich. Er verbeugte sich, obgleich er gekränkt wirkte. „Wohin sollen wir sie bringen?“
„In mein Schlafgemach“, antwortete Rafael.
„Natürlich. Komm schon“, murmelte Tomas seinem Freund Adriano zu.
Der Kronprinz befeuchtete sich die Lippen. Würde Da- niela sich wehren, oder würde sie nachgeben? Es wird ein interessantes Spiel werden.
Seine Freunde waren nur ein paar Schritte weit gegangen, als Adriano sich plötzlich umdrehte.
„Was ist mit Chloe?“ fragte er mit der für ihn üblichen Besorgnis in der Stimme.
Rafael fuhr fort, Daniela zu beobachten. „Was soll mit ihr sein?“
„Sie bedeuten ihr etwas.“
Eine Weile rührte er sich nicht. Dann sah er Adriano an und spürte zum ersten Mal die gewaltige Distanz zwischen ihm und einem seiner engsten Freunde.
Er hatte sich auch früher schon manchmal verlassen ge- fühlt. Vielleicht hatte es mit seiner Stellung zu tun, vielleicht aber auch mit der Tatsache, dass viele der Männer nicht über ihr augenblickliches Vergnügen hinaussehen konnten. Ge- wiss, er hatte sich nicht viel anders verhalten. Nun jedoch – ganz gleich, welche Posten er seinen treuen Freunden anbie- ten würde – vermochten sie die Last seiner Verantwortung nicht mehr abzuwägen. Er selbst war gerade erst dabei, sie ganz zu begreifen. Und er wollte weder vor Adriano noch vor jemand anders zugeben, dass ihn seine neue Rolle zu Tode ängstigte. Dies machte ihn einsamer, als er je zuvor gewesen war.
„Ich warte“, sagte er kühl.
Angewidert wandte Adriano sich von ihm ab. „Ich kenne Sie nicht mehr, Hoheit.“
Als die beiden weggingen, fühlte sich Rafael elend. Er rührte sich nicht von der Stelle, während er sich mit dem bekannten Gefühl der Leere fragte, ob er auf eine Frau wie Daniela gewartet hatte.
Daniela war gerade aus dem Puderraum der Damen getreten, wo sie einer Frau, die betrunken auf einem Sofa lag, eine Smaragdkette entwendet hatte. Sie ließ das Kettchen in ihre Tasche gleiten und ging dann mit wild pochendem Herzen zum Ausgang, wo sich zwei Männer ihr in den Weg stellten.
Sie holte tief Atem.
Den Braunhaarigen kannte sie nicht. Unsicher lächelte er sie an. Doch der andere war der schwarzhaarige Adriano di Tadzio.
Hochmütig sah er auf sie herab. „Ist sie das?“ fragte er seinen Begleiter.
„Guten Abend, Signorina“, sagte Tomas und verbeugte sich galant vor ihr.
„Kommen Sie mit uns“, knurrte di Tadzio und
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