Gaelen Foley - Amantea - 03
maskierte Reiter so beliebt war. Die Vergangenheit des königlichen Lebemannes schien an diesem freudigen Tag vergessen zu sein. Das Volk glaubte an seinen guten Charakter, seit er sich ihr und ihren Freunden gegenüber großzügig erwiesen hatte. Dabei ver- standen die Leute gar nicht, dass sie genau das taten, was er von ihnen erwartete. Daniela empfand ihn eher als einen berechnenden Fürsten denn als einen charmanten Prinzen.
In diesem Moment wurde der Kutschenverschlag geöffnet. Daniela sah in das beruhigend freundliche Gesicht des jun-
gen Grafen Elan, Rafaels Trauzeugen. Er stand draußen und strahlte sie an. Jetzt half er ihrem Großvater aus der Kutsche, bevor er der Enkelin die Hand als Stütze darbot.
Es war an der Zeit.
Daniela zitterte und hielt den Atem an. Sie riss sich zu- sammen, zog den Kopf ein und stieg aus der Equipage. Ei- nen Augenblick blieb sie stehen, um die Menschen auf dem Platz zu betrachten. Vor ihr ragte die graue Kathedrale in den Himmel, und um ihre Türme kreisten Möwen.
Das Volk jubelte, als es die Prinzessin sah. Sie schluckte und sah Elan an, der sie ernst willkommen hieß.
„Bitte sagen Sie mir, dass er schon in der Kirche ist“, flüs- terte sie ihm zu. „Bitte sagen Sie mir, dass es sich um keinen furchtbaren Scherz handelt.“
„Contessa Daniela, Ihr Bräutigam erwartet Sie“, erwiderte Elan lächelnd und führte sie zu ihrem Großvater, vor dem er sich verbeugte. „Euer Gnaden.“
Der alte Mann nickte. Als sie auf den Eingang des Doms zuschritten, roch Daniela den Weihrauch, der ihnen aus der Kirche entgegenschlug. Sie konnte bereits Orgeltöne verneh- men.
Unsicher klammerte sie sich an den Arm ihres Großvaters und konnte im ersten Augenblick, als sie den Dom betraten, nichts sehen. Nachdem sich ihre Augen an das düstere Licht gewöhnt hatten, sah sie, dass der weiße Teppich, der durch das Mittelschiff zum Altar führte, voller Rosenblätter lag. Am Ende wartete bereits der Prinz auf sie.
Seine große Gestalt war vom vielfarbigen Licht überflutet, das durch das Rosettenfenster hereinfiel.
Daniela blickte ihn durch den Schleier an, ehe sie sich in der Kirche umschaute. Sie war bis auf den letzten Platz mit den angesehensten Familien des Landes gefüllt. Alle trugen die vom Hof vorgeschriebene Kleidung, die im Stil des ver- gangenen Jahrhunderts gehalten war. Sie war sich sicher, dass viele empört waren, weil ein so wichtiges Ereignis so kurzfristig angesetzt worden war.
Sogar das Chorgestühl war voll besetzt. Daniela wollte gar nicht wissen, was diese eingebildeten Aristokraten, Höflinge und Hofdamen wirklich über sie dachten.
Die Orgel ließ ein Crescendo ertönen, dann wurde es still. Elan sah Daniela an und nickte ihr aufmunternd zu.
In diesem Moment begann ihr Großvater, sie den Gang zum Altar entlangzuführen. Die Orgelmusik setzte wieder ein, und
diesmal wurde die Nationalhymne gespielt, die an Vivaldi erinnerte.
Daniela hatte den Blick auf Rafael gerichtet. Die Hände hinter dem Rücken verschränkt, stand er gelassen am Fuß des Altars, wo sich in einem Meer von Blumen zahlreiche Pries- ter befanden, die in einem Halbkreis um den rot gekleide- ten Kardinal standen. Rafael ließ ihn von Rom einschiffen, nachdem sich der Bischof von Amantea geweigert hatte, die beiden zu trauen.
Wie, um alles in der Welt, hat er es geschafft, alles so schnell zu regeln, dachte sie, während sie langsam neben ihrem Groß- vater auf ihren Bräutigam zuschritt. Der Mann musste nur mit den Fingern schnippen und erhielt alles, was er begehrte.
Sie konnte noch immer nicht glauben, dass sie wirklich Rafaels Gemahlin werden sollte. Das konnte doch gar nicht sein. Wahrscheinlich bin ich in Wahrheit noch immer im Ge- fängnis und stelle mir alles nur vor, ging es ihr durch den Kopf, während sie starr vor sich hin sah.
Als sie nur noch ein paar Schritte vom Altar entfernt war, konnte sie ihren Bräutigam deutlicher erkennen. Der wun- dervolle Rafael. Er sah so schön aus, dass ihr die Knie weich wurden.
Ertrug eine Uniform der königlichen Kavallerie, deren Eh- renkommandeur der Kronprinz seit jeher war. Sein Gehrock war weiß mit goldenen Knöpfen, die Hose dunkelblau und die Degenscheide juwelenbesetzt. Seine goldbraune Haarmähne war zurückgekämmt, und auf seiner Stirn befand sich eine Krone aus schlichtem Gold, die seine Stellung als Herrscher des Landes zeigte.
Zärtlich betrachtete er Daniela. Als sie auf ihn zutrat, reichte er ihr die Hand. Sie
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