Gaelen Foley - Amantea - 03
Wirkung bei ihr haben. Zornig kam sie bei der Treppe an, wo ihr Diener den Weg zeigten. Er würde ihr das Herz nicht brechen – ganz gleich, wie zärtlich seine Blicke und wie sanft seine Stimme sein mochten.
Als sie in dem üppig ausgestatteten Gemach stand, das ihr zugewiesen worden war, zog sie mit Hilfe einer Kammerzofe das Brautkleid aus. Sie riss sich das Diadem vom Kopf und kämpfte gegen das einengende Korsett an. Gleich darauf trug
sie nur noch ihr schlichtes Unterkleid. Sie schickte die Zofe fort, um endlich wieder frei atmen zu können.
Mit vor Schmerzen pochendem Kopf trat sie auf den Balkon und atmete die kühle Nachtluft tief ein.
Das Letzte, was sie wollte, war, dass Rafael di Fiore ihr ein- zureden versuchte, wie schön sie war. Welche Lügen! Chloe Sinclair war schön, nicht sie.
Noch einmal atmete sie tief ein und schüttelte die Span- nung ab, unter der sie den ganzen Tag über gestanden hatte. Sie blickte auf die Stadt, die unter ihr lag.
Das Fest in den Straßen war noch im Gang, soweit sie das nach den Geräuschen, Lichtern und gelegentlichem Feuer- werk sagen konnte. In der Ferne sah sie die silberne Sichel des Mondes über dem Meer, das die Insel umspülte.
Was für ein Tag! Sie wusste noch immer nicht, wie sie ihn durchgehalten hatte. Vor allem die letzten Augenblicke und die Qual, den Festsaal vor aller Augen verlassen zu müssen, da jedermann wusste, wohin sie ging und was nun folgen würde.
Es war ein zermürbender Tag gewesen. Und die Nacht lag erst noch vor ihr.
Ängstlich warf sie einen Blick über die Schulter auf das Bett. Dann sah sie zur Tür. Ich werde ihm niemals wider- stehen können. Er war so anziehend und wusste genau, wie er eine Frau betören musste. Sie begehrte ihn so sehr – und sie würde seine Zukunft zerstören, wenn sie ihrem Verlangen nachgab.
Obgleich er ein Schurke war, brachte sie es nicht über sich, sein Leben zu ruinieren. Nicht, nachdem sie seine verletz- liche Seite gesehen und erlebt hatte, wie viel ihm Amantea bedeutete. Sie wollte nicht schuld daran sein, dass er das verlor, was er wirklich liebte.
Auch wenn sie annahm, dass er seinen eigenen Schlüssel hatte, eilte sie rasch zur Tür des Gemachs und sperrte ab.
Dann schaute sie sich im Zimmer um und entdeckte ihre Reitstiefel, die ordentlich in einer Ecke standen. Daneben befanden sich auf einem Stuhl ihre Hose und ihr Hemd. Sie hatte den Bediensteten verboten, die schwarze Kleidung wegzuwerfen. Zu ihrer Überraschung hatten sie ihr gehorcht.
Noch ehe sie sich im Klaren war, was sie tat, lief Daniela zu ihren Sachen und zog sie an. Mit zitternden Händen und ohne irgendeine Vorstellung, was sie tun wollte, schlüpfte sie schließlich in die Reitstiefel. Sogleich fühlte sie sich stärker
und hoffte, dass es doch noch einen Weg geben würde, wie sie sich und Rafael retten konnte. Mit wild klopfendem Herzen hastete sie zur offenen Balkontür.
Sie schluckte und warf noch einen letzten Blick in das Gemach, bevor sie hinaustrat und über das Geländer klet- terte. Das Dach unter ihr besaß mehrere Ebenen und Türm- chen, die hier und dort in den nächtlichen Himmel ragten. Es würde leicht sein hinabzukommen. Sie sah, dass sie nur auf dem Dach hinuntergleiten musste und dann etwa vier Fuß zu springen hatte. Weiter unten befand sich eine Plattform, von der sie ohne Schwierigkeiten ganz auf den Boden gelangen konnte.
Sollte sie es wagen?
Lüge mich niemals an.
Mateo und die anderen befanden sich in Sicherheit. Rafael di Fiore benutzte sie nur. Ihre Entscheidung stand fest.
Sie wollte so schnell wie möglich von hier verschwinden.
Im Billardraum versuchten Rafaels Freunde, ihn mit Sherry und Zigarren noch länger festzuhalten. Doch der Kronprinz dachte an Danielas Unschuld und riss sich nach einiger Zeit lachend von ihnen los. Er war zwar nicht mehr nüchtern, aber durchaus noch bei klarem Verstand.
„Genug von eurem schlechten Einfluss auf meine Tugend- haftigkeit“, erklärte er lachend. „Ich habe noch etwas zu erledigen ...“
Pfiffe ertönten. Endlich war es ihm möglich, sich zu ent- fernen, auch wenn er einem anzüglichen Spruch seiner Freunde, der eher an Zwölfjährige denken ließ, nicht entging. Er verabschiedete sich von ihnen, während die Männer rie- fen: „Schickt die Frauen herein. Wir wollen uns mit ihnen amüsieren! Der Ehemann ist endlich nach Hause gegangen.“
Schmunzelnd schritt Rafael den Gang entlang und fragte sich, ob sie jemals ihre Possen lassen würden.
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