Gaelen Foley - Knight 06
aber das schien ihm weniger wichtig als das überwältigende Bedürfnis, sie zu beschützen.
Er versuchte nicht einmal, seinen Freunden gegenüber eine Erklärung abzugeben, äußerte nur einen kurzen Abschiedsgruß und ging abrupt davon.
„Alec?“, rief Fort.
„Knight, wohin gehst du?“, verlangte Rush zu wissen.
Er antwortete nicht. Er drehte sich nicht einmal um.
Er sprang in den gemieteten Phaeton, trieb das Gespann an, und gleich darauf fuhr die leichte und deshalb schnelle Kutsche die Straße entlang. Die Pferdehufe klapperten auf dem Pflaster. Er wusste, sein hastiger Aufbrach musste seinen Freunden voll- kommen seltsam erscheinen, doch später würde Zeit genug für Entschuldigungen bleiben. Er musste darüber nachdenken, was Becky wohl zu sagen hatte, wenn er zur Tür hereinkam.
Becky hatte ihm überhaupt nichts zu sagen.
Nein, was sie betraf, so war es an Alec, ihr endlich etwas zu erklären, und eine Entschuldigung für die Art und Weise, wie er vorhin davongegangen war, war nur der Anfang.
Ehe all das geschehen war, hatte sie den Tag so verbringen wollen wie üblich. In der Küche für Ordnung sorgen. Die Soße für den Pudding zubereiten. An der Strickarbeit für das Ba- by weitermachen. Aber nach dieser Konfrontation tat sie nichts von alledem.
Gleich nachdem er gegangen war, hatte sie ihr Schlaf gemach aufgesucht, verletzt und wie betäubt, und sich fassungslos auf die Bettkante sinken lassen.
Sie konnte nicht glauben, dass er mitten in dieser schwierigen Situation einfach gegangen war, offensichtlich mehr besorgt, pünktlich zu der Verabredung mit dem Regenten zu kommen, als den Riss in ihrer nur wenige Stunden alten Verlobung zu hei- len. Sie wusste, die vorgebliche Dringlichkeit seines Besuchs im Pavillon war nur eine Ausrede.
Er hatte sie ausgeschlossen.
Becky war wütend, starrte auf das Bett, drehte seinen Siegel- ring an ihrem Finger, sehr in Versuchung, ihn abzunehmen, doch das wäre eine zu endgültige Entscheidung. Sie wollte nicht, dass ihre Zuneigung endete, aber wenn er ihr nichts von diesem düs- teren Geheimnis erzählte, dann würde sie überlegen, ob sie ihn überhaupt heiraten sollte.
Wer immer Mr. Dunmire sein mochte, was immer Lady Cam- pion mit ihren Andeutungen gemeint hatte – ohne eine Erklä- rung von Alec gingen ihr alle Möglichkeiten durch den Kopf, die, wie sie sich sagte, vermutlich schlimmer waren als die Wahrheit. Es ging schließlich um Alec. Er war ein wunderbarer Mensch, und sie liebte ihn. Wie schlimm konnte es letztlich werden?
Doch gegen ihren Willen erschütterte die nagende Furcht ihr Vertrauen bis in die Grundfesten. Hatte sie ihm nicht vor Wo- chen schon ihre ganze Geschichte erzählt, als sie zusammen in der kleinen Kirche gesessen hatten? Sie war das Risiko einge- gangen, ihm zu vertrauen, warum also konnte er nicht dasselbe tun? Es tat weh zu denken, dass er die ganze Zeit über bewusst Geheimnisse vor ihr gehabt hatte. So sehr er sie auch immer und immer wieder bedrängt hatte, ihm ganz zu Anfang ihrer Verbindung zu vertrauen, jetzt fragte sie sich allmählich, ob sie es vielleicht besser nicht getan hätte.
Mit Sicherheit wusste sie nur, dass sie es nicht mochte, im Un- klaren gelassen zu werden.
Schließlich hörte sie, wie seine Kutsche die Straße entlang- kam. Ein paar Minuten später betrat Alec das Zimmer.
Über die gefalteten Finger hinweg sah sie ihn unverwandt an, die Ellenbogen auf die Lehne gestützt und die Beine übereinan- dergeschlagen. Er erbleichte ein wenig, ehe er den Blick senkte, zögernd weiterging und seinen Rock auszog.
„Ich bin wieder da.“
„Das sehe ich.“
Angesichts ihres kühlen Tonfalls sah er sie wachsam an, ehe er
seinen Rock aufs Bett legte. In sicherer Entfernung lehnte er sich an einen der Bettpfosten, die Arme vor der Brust verschränkt. Als er den Teppich betrachtete, konnte sie beinahe fühlen, wie er nach einem neutralen Thema suchte. Sie bot ihm keine Hilfe an, sondern beobachtete zufrieden, wie er sich wand.
Unter den langen Wimpern war sein Blick hoffnungsvoll, sanft und beschwichtigend, doch die Spur von Eigensinn um seinen Mund zeigte, dass er noch immer nicht vorhatte, sich zu erklären.
Nun, wir werden sehen.
„Kurkow ist in der Stadt“, sagte er. „Du musst daran denken, dich nicht öffentlich zu zeigen.“
„Gut.“
Er senkte erneut den Kopf, sodass ihm die Stirnlocke ins Ge- sicht fiel. „Wie viel hast du gehört?“
„Nicht genug, um es zu verstehen.“
Der
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