Gaelen Foley - Knight 06
Schenkel gerissen.
Der Anblick ihrer cremeweißen Haut über dem hohen wei- ßen Strumpf erinnerte ihn an das Vergnügen der vergangenen Nacht, doch zugleich erregte etwas seine Neugier. An ihrem Strumpfband hatte sie einen kleinen Beutel befestigt.
Als Alec seine linke Hand auf ihren bloßen Schenkel legte, schrie sie leise auf und wurde dann ganz still. Mit der rechten umfasste er den Lederbeutel, in dem sich etwas Hartes befand, etwa von der Größe einer Eichel. Was versteckte sie da?
„Was ist das?“ Misstrauisch sah er auf und begegnete ihrem ängstlichen Blick.
Mit klopfendem Herzen sah Becky in seine blauen Augen und dachte an die Spielschulden, die er erwähnt hatte, an das feh-
lende Mobiliar. Er selbst hatte zugegeben, nicht viel Geld zu besitzen. Aber wenn sie beide am Leben bleiben wollten, dann, das wusste sie, sollten sie besser anfangen, einander die Wahr- heit zu sagen.
Dieser Mann hatte ihr heute das Leben gerettet. Sie schuldete es ihm, den ersten Schritt zu machen.
„Mach es auf“, flüsterte sie und schenkte ihm ihr Vertrauen, wie er es erbeten hatte, trotz der Tatsache, dass der Rubin al- les war, was sie besaß. Ohne ihn hätte sie keine Hoffnung mehr. „Sieh selbst nach.“ Sie nickte ihm zu und verschränkte die Ar- me vor der Brust.
Sie biss sich auf die Lippen, als er die „Rose of Indra“ aus der Hülle in seine Handfläche gleiten ließ.
„O Gott“, flüsterte er und starrte den Stein an. Dann sah er sie beunruhigt an. „Woher hast du das?“
„Es gehört mir. Es ist mein Erbe. Darf ich es zurückhaben, bitte?“
Seine Augen schienen dunkler zu werden, als er ihre Frage verstand. „Du glaubst, ich würde ihn dir wegnehmen?“
„Der Stein ist alles, was ich habe“, antwortete sie voller Un- behagen. „Ich brauche die Summe, die er einbringt, um mein Heim und mein Dorf vor Michail zu retten.“
Ohne ein weiteres Wort gab Alec ihr den Stein zurück, aber er musste auch nicht weiter deutlich werden, um zu zeigen, dass er keineswegs über diese Entdeckung erfreut war. Er fühlte sich erneut verletzt, das spürte Becky. Aber was sollte sie dagegen machen? Sie hatte ihm einen Gefallen tun wollen, als sie ihm den Edelstein zeigte.
Kaum befand sich dieser wieder in ihrem Besitz, fühlte sie sich gleich viel besser. Lieber auf Nummer sicher gehen, als später etwas bedauern. Sie versteckte den Beutel jetzt in ih- rem Mieder. „Man nennt den Rubin ,Rose of Indra’. Er wird seit vielen Generationen unter den Frauen in meiner Familie wei- tervererbt. Ich habe ihn von meiner Mutter erhalten. Du musst wissen, Michail hat keine Ahnung, dass er existiert. Ich werde ihn verkaufen und dann versuchen, Talbot Old Hall anonym zu erwerben.“
Langsam entspannte er sich, doch noch immer lag Skepsis in seinem Blick. „Fang mit deiner Erzählung am besten ganz von vorne an.“
Sie nickte. „Vor fünf Tagen begann alles ganz normal, es war ein Donnerstag, ein Tag wie jeder andere.“ Sie hielt ihren Un- terrock fest, riss einen Streifen ab und legte ihn zum Verbin- den zur Seite. „Ich war im Küchengarten und sah nach meinen Kräutern und den Gemüsebeeten, als eine Gruppe der Dorfbe- wohner auf Talbot Old Hall erschien, um sich zu beschweren.“
„Talbot Old Hall?“
„Mein Zuhause“, erklärte sie und empfand einen Stich von Heimweh. „Zumindest war es das bis zu jenem Tag. Jetzt bin ich nicht so sicher. Als Großvater starb, erbte Michail es – und auch den gesamten Landbesitz.“
Er wurde aufmerksam. „Dein Großvater?“
„Der Earl of Talbot“, sagte sie und wappnete sich gegen seine Reaktion.
Alec sah sie nur an. Dann beugte er sich vor, stützte den El- lenbogen auf sein Knie und den Kopf in die Hand. „Du bist von Adel“, sagte er dann.
„Ja.“
„Und in der vergangenen Nacht habe ich dich nach mehreren Gläsern Champagner verführt.“
„Nun ja. Das trifft es wohl, fürchte ich. Aber du musst nicht so ein Gesicht machen“, erwiderte sie. „Es ist ja nicht so, dass ich es nicht wollte.“
Er warf ihr einen warnenden Blick zu. „Sprich weiter.“
„Die Talbots hatten ihre Finger schon immer in internati- onalen Geschäften“, fuhr sie fort. „Es gab Verbindungen zur East India Company. Meine Mutter sagte immer, in ihrer Fa- milie gäbe es nur drei Regeln, und weil es so wenige wären, hätte man sie eisern zu befolgen, je nachdem, was für ein Fa- milienmitglied man sei. Regel Nummer eins lautete: Der älteste Sohn ist der pflichtbewusste Earl
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