Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
Lebensmittelvergiftung, die es in den letzten fünf Jahren auf diesem Planeten gegeben hatte, waren auf ihr Konto gegangen. Sie war völlig unschuldig, es hatte an den Zutaten gelegen. Zumindest nach Evelines Meinung.
»Nein«, sagte sie, »ich will dich nicht umbringen. Ein paar von deinen Einfällen vorige Nacht haben mir wirklich gut gefallen. Höllisch – und gut. Ich habe Magubschoten statt echter roter Bohnen genommen, und oniskäische Traumkürbisse statt der Tomaten. Davon abgesehen, ist es nichts weiter als ein gut gepfeffertes Chili.«
Markus streckte wie unter Zwang die Hand aus und nahm die Schüssel entgegen. Gut gepfeffert bedeutete, dass dieses Essen als Waffe verwendet werden konnte.
»Vor allem die Stelle mit den vielen übereinandergemischten Gitarren hat mir gefallen«, sagte Eveline und lächelte. »Die Sägezähne des Schicksals, die an tausend Lebensfäden nagen. Klingt toll. Das solltest du weiter verfolgen. Aber iss erst. Die Zutaten sind alle ganz frisch. Wirklich.«
Danach drehte sie sich um und schlurfte mit ihren hastigen kurzen Schritten zurück in ihre eigene Wohnung. Erst als sie die Tür schloss, ging es Markus auf, dass sie das Essen gemeint hatte mit den Zutaten und nicht seine nächtliche Orgie aus Tönen und Rhythmus. Leider hatte er nicht die geringste Ahnung, welche Stelle genau sie mit den übereinandergemischten Gitarren wohl meinen könnte. Es gab in den Speichern unglaubliche Mengen neu eingespielter Aufnahmen. Das war jemand anders gewesen, der letzte Nacht hier musiziert hatte, offensichtlich ebenso sturzbetrunken wie am Rande der Genialität. Oder eben nicht jemand anders, sondern ein Markus Hataka, der im Moment nicht da war.
Die Sägezähne des Schicksals, die an tausend Lebensfäden nagen? Er fühlte sich, als würde er nie wieder im Leben eine Taste drücken können. Die Schüssel in seiner Hand wurde zu schwer und begann zu zittern. Er musterte sie nachdenklich und bemerkte erst da, dass das Zeug heiß war und ihn verbrennen würde.
Fluchend kehrte er in seine Wohnung zurück und stellte das Essen ab, wedelte mit der Hand herum, um sie abzukühlen. Er trank einen langen Schluck von dem falschen Orangensaft. Jana schwieg, seit sie das Geld genommen hatte, und es surrte und zerrte immer mehr in seinem Inneren. Er saugte an den Fingern, die zu warm geworden waren. Die Galdani hatte sich nicht wieder gemeldet. Er schnupperte an der fremden Speise, die Eveline ein Chili genannt hatte, und nahm sich vor, später nachzuschlagen, was zum Teufel das sein mochte. Markus holte einen Löffel und sann darüber nach, wie Jana wohl nach Nummer 42 gekommen war und was sie davon abhalten könnte, ihn anzurufen oder eine Nachricht zu schicken.
Markus japste. Das Chili war scharf. Es brannte auf der Zunge und in der Kehle, und ihm traten Tränen in die Augen. Wie zum Trotz nahm er weitere zwei Löffel voll und kaute tapfer. Hinter all der Schärfe lauerte ein guter, fester Geschmack. Eveline war wie immer eine phänomenale Köchin. Selbst wenn sich, wie in diesem Fall, der Genuss hinter einer stachligen Wand aus beißendem Habanero-Chili verbarg. Markus schniefte, holte sich ein Tuch und schnäuzte sich kräftig. Ein zweites Tuch benutzte er, um die Tränen abzutupfen, die sein Gesicht herunter rannen.
Nummer 42 war ein lausiges Kaff. Bestimmt gab es da kein Chili. Vielleicht gab es da nicht mal ein paar düstere Kaschemmen, in denen man einkehren konnte. Nein. Düstere Kaschemmen gab es dort mit Sicherheit, solche Absteigen machten als letzte zu, erst dann, wenn selbst die verrücktesten Kunden weggegangen waren.
Markus hielt beim Löffeln inne und dachte nach. Da war etwas gewesen, letzte Nacht. Er wusste nur nicht genau, was. Es hatte mit Jana zu tun und mit der Vorstellung, dass sie in einer üblen Spelunke saß und wartete. Mit dem Dröhnen des Basses. Und es hatte mit Entfernung zu tun. Er löffelte weiter und dachte nach. Evelines Chili schmeckte umso besser, je mehr er aß. Es lag nicht am Essen, sondern an den taub werdenden Geschmacksnerven und daran, dass es jenseits des reinen Schmerzes Dinge gab, die man genießen konnte. Was zum Teufel hatte er in dieser Nacht nur getan?
Der Löffel stieß auf den Grund der Schüssel. Es quietschte. Markus hielt inne. Das grelle Klirren, wenn digitale Datenpakete auf einen Audio-Kanal fehlgeleitet wurden. Die Sägezähne des Schicksals, die an tausend Lebensfäden nagen. Kommunikation. Ganz und gar nicht karitative
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