Galdäa. Der ungeschlagene Krieg (German Edition)
inneren Uhren durcheinandergewürfelt hatte. Es war völlig normal gewesen, von einem Augenblick auf den anderen Wochen zu verlieren. Oder monatelange komplizierte Erlebnisse zu haben, Ausgeburten der Droge, die tatsächlich nur Viertelstunden gedauert hatten.
Markus hatte zwei Wochen verloren.
»Am besten wird es fürs Erste sein, Sie ziehen sich fertig an«, sagte eine andere weibliche Stimme. »Dann sehen wir weiter.«
Hataka fuhr herum – in seinen Schultern knackte es, und ein kleiner, spitzer Schmerz ließ ihn zusammenzucken.
»Nicht so hastig«, sagte die Frau.
Markus atmete scharf ein. Er kannte diese Person. Sie sah genauso aus, wie er sie vor kurzem gesehen hatte. Vor kurzem? Nun gut. Vor über zwei Wochen.
Sie wirkte elegant und lässig. Ihre grauen kurzen Haare täuschten darüber hinweg, dass sie keine einfache ältere Dame war. Sie trug einen dunklen Overall aus derbem Stoff. Die Haltung ihres Körpers verriet gezügelte Kraft. Sie erinnerte an ein schönes Instrument, das bei Bedarf schreckliche Dinge zu tun in der Lage sein mochte. Allerlei technische Geräte waren an Schlaufen und in Taschen ihrer Kleidung verstaut. Seltsame Apparate, die der Musiker nicht kannte. Um den Hals hatte die Frau ein leuchtendblaues Halstuch geschlungen.
»Lieber Markus Hataka«, sagte sie, »wenn ich mich Ihnen vorstellen darf: mein Name ist Bonnie Wayss. In den nächsten Tagen sollten Sie im Gebrauch Ihrer physischen Ausstattung vorsichtig sein und es ein wenig langsam angehen lassen. Anziehen können Sie sich natürlich trotzdem.«
Dazu gab es nicht viel zu sagen, Markus stieg in das andere Hosenbein und verschnürte den Bund. Er zog ein blaurot gesprenkeltes Hemd sowie eine fürchterlich geschmacklose Jacke in rotem Pepitamuster an und überlegte, was wohl mit seiner physischen Ausstattung gemeint sein mochte. Und er dachte darüber nach, was ihm an der Stimme dieser Frau seltsam vorkam. Bereits an der Aufzeichnung gestern Abend hatte ihn irgendetwas gestört ... Nun ja, die Aufzeichnung von vor zwei Wochen. Er konnte sich nicht daran gewöhnen, dass plötzlich ein halber Monat spurlos aus seinem Leben verschwunden war.
»Wenn Sie zulassen dazwischenzureden«, singsangte die Stimme von Maja Maja durch die Tür herein, »ich wäre augenblicklich bereit. Alle unentbehrlichen Informationen entdecken Sie in der Dokumentation, chiffriert entsprechend Standardprozedur.«
Die Ärztin von Engambosch stand in Habachtstellung da und starrte die Soldatin an; ihre Haltung war die eines Befehlsempfängers.
»In Ordnung«, sagte Bonnie Wayss. Markus Hataka registrierte mit Befremden die militärische Grußerweisung zwischen den beiden Frauen, die knapp und routiniert ausfiel. Maja Maja verschwand, ohne ihren Patienten eines letzten Blickes zu würdigen. Wohin bin ich nur geraten?, dachte er, und dieser Gedanke musste überdeutlich in seinem Gesicht geschrieben stehen, denn Bonnie Wayss grinste spitzbübisch.
»Es gibt für alles eine Erklärung«, sagte sie. Da war er wieder, dieser seltsame Nebenklang.
»Davon bin ich überzeugt«, antwortete er, »die Frage ist nur, ob ich mit den Erklärungen etwas anfangen kann.«
Sie lächelte. In ihren Augen funkelte Kälte. »Die Frage ist eigentlich, ob wir in der Lage sind, die richtigen Fragen zu stellen. Damit fängt es immer an. Setzen wir uns.«
Von der Einrichtung des Krankenzimmers waren ein Tisch und zwei schmucklose Stühle übrig geblieben. Wie passend, dachte Markus, ich fresse einen Goldenen samt seiner Pelle, wenn das Zufall ist. Sie setzten sich, und er erhaschte einen enthüllenden Blick hinter einen Zipfel des blauen Halstuchs.
»Sie tragen ein Stimmimplantat«, sagte er überrascht.
»Wundert mich nicht, dass Sie das herausgehört haben«, entgegnete Bonnie. »Schließlich sind Sie Musiker. Falls Sie sich Sorgen um Ihre Arbeit machen: Meine Leute haben alles, was die Explosion überstanden hatte, eingepackt und mitgenommen. Soweit wir es überblicken, sind keine gespeicherten Daten verlorengegangen. Abgesehen natürlich von allem, was im Augenblick des Anschlags aktiv war.«
Markus nickte. Es war ihm nicht sonderlich wichtig. Der Mann, der nächtelang an Musik gearbeitet hatte, kam ihm wie ein fremder, wildfremder Mensch vor. Beim Gedanken an die wilde, von Tönen und Melodien überquellende Nacht daheim bekam er eine Gänsehaut. Er erinnerte sich vage an das mahlende Geräusch einer verzerrten Gitarre, siebenfach übereinandergemischt, und an eine kühle,
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