Galgenfrist fuer einen Toten - Der 1 DOUGLAS BRODIE Thriller
ins Auto zu steigen. Mittlerweile rumorte mein Magen heftig – entweder wegen des fettigen Frühstücks oder der bevorstehenden Konfrontation mit den Slatterys und ihren Häschern. Sie genossen eindeutig Heimvorteil. Als ich den Riley startete und ihn von der Rampe lenkte, salutierten mir die Fährleute zum Abschied scherzhaft.
Zwar wusste ich ungefähr, wo ich hinmusste, brauchte jedoch Benzin und eine vernünftige Straßenkarte. Deshalb hielt ich an der erstbesten Tankstelle, riss den letzten meiner blauen Treibstoff-Coupons ab und zog eine meiner rasch schwindenden Pfundnoten aus der Tasche. Anhand der gekauften Karte ließ ich mir vom Kassierer den Weg beschreiben und setzte meine Reise in Richtung Westen fort.
Nach meiner Schätzung waren es von Larne aus knapp 200 Kilometer bis zum Ziel meiner Fahrt. Als Erstes musste ich auf der A6 die Grafschaft Antrim durchqueren und danach auf kleineren Straßen bis nach Enniskillen in Fermanagh im Nordwesten fahren. Schließlich würde mich die B514 ins Örtchen Lisnaskea bringen.
Ich hatte mir keinen großartigen Plan zurechtgelegt, sondern verließ mich darauf, dass mir schon irgendwas einfallen würde, sobald mir die örtlichen Gegebenheiten vertraut waren. Aus der Adresse, die mir die Putzfrau der Slatterys gegeben hatte, schloss ich, dass es sich um eine Farm etwas außerhalb von Lisnaskea handeln musste. Die Frage war nur, ob sie auf freier Flur oder in einem Waldgebiet, hinter einem Bach oder hinter hohen Hecken lag. Warteten die Slatterys bereits auf mich? Hatten sie Samantha Campbell als Köder entführt, damit ich anbiss und mich ihnen auslieferte? Immerhin besaßen sie einen ganzen Tag Vorsprung und Sams Lage wurde von Stunde zu Stunde gefährlicher. Falls sie überhaupt noch lebte.
Am frühen Abend war ich völlig ausgehungert und quälte mich mit einer ausgetrockneten Kehle und zunehmender Erschöpfung herum. Während ich durch das Städtchen Fintona fuhr, die stetig ansteigende Hauptstraße entlang, schielte ich auf mein Handgelenk. 18 Uhr. Ich würde frühestens in einer Stunde in Lisnaskea ankommen. Ursprünglich wollte ich noch bis Enniskillen und danach nach Lisnaskea durchfahren, um die Lage zu erkunden, Das hielt ich mittlerweile für eine dumme Idee, weil ich in der letzten Nacht doch entschieden zu wenig Schlaf abbekommen hatte. In der Dämmerung würde ich nur blindlings in der Gegend herumstolpern – zu müde, um schnell zu reagieren – und dabei Kopf und Kragen riskieren.
Also machte ich in Fintona Halt, nahm mir ein Zimmer im Red Bull, unternahm einen kurzen Spaziergang durch den Ort, bestellte mir in einem Imbiss ein Käsesandwich und trank dazu ein kühles Bier – Black Stout. Dabei hatte ich alle Mühe, den forschenden Blicken und gezielten Fragen der wenigen Gäste und des neugierigen Besitzers auszuweichen. Ich erzählte ihnen, ich sei ein Handelsvertreter für Lexika. Das schien ihnen den Mund zu stopfen, aber ich war mir ziemlich sicher, dass sie mich für einen britischen Spion hielten.
Die Matratze war weicher als erwartet, aber im Zustand völliger Erschöpfung hielt mich das nicht vom sofortigen Einschlafen ab. Im Morgengrauen schreckte ich aus dem Bett hoch. Zunächst war ich so verwirrt und desorientiert, dass ich einige Sekunden brauchte, bis ich wusste, wo ich mich befand – und warum. Das Warum schürte erneut meine Wut auf die Slatterys und meine Angst um Sam und machte meinem Kopf dermaßen zu schaffen, als steckte er in einer Schraubzwinge. Erst als ich mir ausmalte, wie ich die Dickson ziehen und auf den Abzug drücken würde, lockerte sich die Zwinge spürbar.
Um acht Uhr früh war ich wieder unterwegs und fuhr weiter nach Westen. Dank der irischen Gastlichkeit fühlte sich mein Bauch nicht nur gut gefüllt, sondern geradezu aufgebläht an; die Wasserflasche hatte ich in der Pension mit Leitungswasser aufgefüllt. Von der Machtprobe mit den Slatterys trennte mich nur noch eine knappe Stunde Fahrt. Befand ich mich auf dem Weg ins eigene Verderben? Würde meine Reise ein ähnlich gewaltsames Ende nehmen, wie ich es im Zug von London nach Glasgow im schwankenden Schlafwagen vorhergesehen hatte? Würden alle Fäden an diesem tödlichen Endpunkt zusammenlaufen? Und wer von den Beteiligten – wenn überhaupt – würde heil aus der ganzen Sache herauskommen?
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Die Hauptstraße führte mitten durch Enniskillen. Es herrschte lebhafter Verkehr; nicht zuletzt waren erstaunlich viele Pferdewagen unterwegs. Mir fiel auf,
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