Galgentod
wenn man nicht mehr weiter weiß.«
Schnur blieb abrupt stehen, drehte sich um und fragte: »Hast du eine bessere Spur?«
»Nein«, antwortete Erik erschrocken über die Heftigkeit der Reaktion.
»Also! Jetzt werden wir uns die Probe nehmen. Dann sehen wir ja, ob das wirklich ein Strohhalm ist oder ein Volltreffer.«
Das Appartementhaus sah noch genauso aus, wie Erik es vor wenigen Minuten verlassen hatte. Die Yankees verharrten immer noch vor dem Drogenhilfezentrum. Einige versteckten sich in Hecken, andere spritzten sich hemmungslos auf der Straße. Einige Prostituierte machten Feierabend und torkelten in ihr Zuhause, das im gleichen Gebäude wie das Drogenhilfezentrum lag.
Schnur besah sich das Treiben und meinte entmutigt: »Und diese Maßnahme soll Süchtigen helfen, von der Droge wegzukommen?«
Erik zuckte nur mit den Schultern.
Schnur drückte auf den Klingelknopf von Yanniks Wohnung.
Fast im gleichen Augenblick ertönte der Türsummer.
Sie traten aus der trockenen Hitze in ein kühles Treppenhaus. Der Fahrstuhl funktionierte nicht. Unter Schnaufen stiegen sie die Treppen hoch zum fünften Stock.
Dort stand Yannik Hoffmann bereits in der Tür. Seine Augen wurden groß, als er sah, wer ihn besuchte.
»Sie?«
»Ja, wir«, kam es von Schnur, obwohl seine Luft inzwischen knapp war.
»Mirna ist nicht hier«, erklärte Yannik sofort, ohne gefragt worden zu sein. »Das müssten Sie aber wissen.« Dabei fixierte er Erik. »Sie haben sie doch gestern Abend nach Picard gefahren.«
Schnur warf Erik einen fragenden Blick zu.
»Woher wissen Sie das?«, fragte Erik erschrocken. »Nach Mirnas Aussage waren Sie gestern Abend nicht zuhause.«
»Mirna ist eben raffiniert«, entgegnete Yannik. »Natürlich war ich zuhause. Wir hatten uns gestritten – und zwar Ihretwegen.«
Erik wollte nicht darüber sprechen, weil sein Vorgesetzter dabei stand. Doch Yannik nahm darauf keine Rücksicht, sondern berichtete munter weiter: »Sie hat Sie mit Ihrem Auto vorfahren sehen. Sofort ist sie ins Treppenhaus, um Ihnen aufzulauern. Ich konnte nichts dagegen tun.«
»Haben Sie unser Gespräch im Flur belauscht?«
Yannik nickte.
»Und warum haben Sie nicht auf sich aufmerksam gemacht, als ich sie nach Picard fahren wollte?«
»Warum hätte ich das tun sollen?« Yannik klang resigniert. »Mirna hat sich in den Kopf gesetzt, dass sie einen Bullen verführt. Und was sie sich vornimmt, das kriegt sie auch.«
»Das werden wir noch sehen.«
»Wollen wir nicht erst mal reingehen?« Mit dem Vorschlag unterbrach Schnur das Geplänkel. »Oder sollen alle im Haus mitbekommen, was hier los ist?«
Damit hatte er Yannik schnell überzeugt.
Sie traten in eine kleine, schlauchähnliche Wohnung – Eriks eigenem Appartement nicht unähnlich. Der Balkon zeigte auf die Brauerstraße. Der Lärm der Drogensüchtigen, die gerade in einen Streit verwickelt waren, drang bis in den fünften Stock.
»Wir sind nicht wegen Mirna hier, sondern Ihretwegen«, erklärte Jürgen Schnur, kaum dass die Tür zugefallen war.
»Warum? Ich habe nichts getan.«
»Sie haben von dem Mord an Bertram Andernach schon gewusst, bevor wir am Tatort eingetroffen sind. Und sowas stimmt uns nachdenklich.«
Yanniks Augen wurden groß.
»Wissen Sie, wir haben uns gefragt, wer schon vor uns von einem Mord wissen kann. Und die Antwortet lautet: Der Mörder.«
»So war das nicht«, stammelte Yannik los.
»Dann klären Sie uns bitte auf.«
»Mirna und ich hatten einen Anruf bekommen …«
»Von wem?«
»Das weiß ich nicht mehr.«
»Das finden wir raus – stellen Sie sich mal vor.«
»Okay. Es war Lara Ferringer.«
»Warum tut sie so etwas?«
»Ich glaube, die Mieze ist scharf auf mich.« Yanniks Gesicht lief rot an.
»Klar! Sie kennen sich noch aus gemeinsamen Schulzeiten.«
Jetzt lief Yanniks Gesicht dunkelrot an.
»Sie wissen ja eine ganze Menge über mich«, schnaufte er.
»Natürlich wissen wir eine Menge über Sie – schließlich sind wir die Polizei.«
»Aber …« Yannik versagte die Stimme. »… warum interessiert sich die Polizei ausgerechnet für mich?«
»Ganz einfach: Sie haben das Abi einmal versiebt, weil Sie in Bertram Andernachs Fächern nicht die Mindestpunktzahl erreicht haben.«
»Aber das ist doch Schnee von gestern. Jetzt bin ich sogar schon auf der Uni. Dieser Andernach kann mir gestohlen bleiben.«
»Dann kommt Mirna Voss in Ihr Leben«, sprach Schnur unbeirrt weiter. »Sie lieben diese wunderbare Frau und was
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