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Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition)

Titel: Gammler, Zen und hohe Berge (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Kerouac
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haben.»
    «Du hast ’n Stich, Morley!»
    «Vielleicht, kann sein. Doch wenn es so ist, hinterlasse ich auf jeden Fall ein bezauberndes Testament.» Dann sagte er plötzlich aus dem Nichts heraus: «Ich bin sehr glücklich darüber, dass ich mit zwei Dichtern in die Berge gehe. Ich habe selbst vor, ein Buch zu schreiben, und zwar über Ragusa, einen Stadtstaat am Meer aus dem späten Mittelalter, der das Klassenproblem löste und Machiavelli den Ministerposten anbot. Außerdem brachten die Leute es fertig, dass ihre Sprache eine Generation lang in der Levante als Diplomatensprache benutzt wurde. Das kam natürlich nur daher, dass sie mit den Türken unter einer Decke steckten.»
    «Aber klar doch!», sagten wir.
    Und das war Morley. Inzwischen hatte der Wagen das Vorgebirge erreicht, fuhr bergauf, und wir kamen in mehrere düstere Städte, wo wir anhielten, um zu tanken. Und nichts als Elvis Presleys in Bluejeans auf der Straße, die darauf warteten, jemanden zusammenzuschlagen, aber unter ihnen das Dröhnen der frischen Gebirgsbäche, und man ahnt die hohen Berge, die nicht mehr fern waren. Ein reiner, wunderschöner Abend, und schließlich stiegen wir auf einer wirklich schmalen, geteerten Landstraße aus und wanderten auf die Berge zu. Die ersten hohen Tannen erschienen an der Seite der Straße und gelegentlich Felsbrocken. Die Luft war klar, scharf und herrlich. Es traf sich, dass an diesem Abend auch die Jagdsaison eröffnet wurde, und in einer Bar, in die wir eingekehrt waren, um was zu trinken, saßen einige Jäger, die mit ihren roten Hüten und Wollhemden ziemlich albern aussahen, und ließen sich volllaufen und hatten ihre ganzen Gewehre und Patronen im Auto und fragten uns aufgeregt, ob wir irgendwo Wild gesehen hätten. Sicher hatten wir Wild gesehen, und zwar gerade kurz vorher. Morley hatte am Steuer gesessen und erzählt. Er sagte gerade: «Also, Ryder, vielleicht bist du der Lord Alfred Tennyson unserer kleinen Tennisparty hier an der Küste. Sie werden dich den Neuen Bohemien nennen und dich mit den Rittern der Tafelrunde vergleichen, nur fehlt Amadis der Große und der ungeheure Glanz des kleinen maurischen Königreiches, das für siebzehntausend Kamele und sechzehnhundert Fußsoldaten an Äthiopien verkauft wurde, als Caesar noch von seiner Mutter die Brust bekam» … da war plötzlich das Reh auf der Straße, starrte in unsere Scheinwerfer, wurde zu Stein, sprang dann ins Gebüsch am Straßenrand und verschwand in die plötzlich gewaltige, diamantene Stille des Waldes, die wir hörten, als Morley den Motor abstellte, und nur das Getrappel der Hufe, bergaufwärts, dahin, wo im Nebel Indianer, die noch rohen Fisch essen, ihre letzte Zufluchtsstätte haben. Nun waren wir wirklich auf dem Lande. Morley sagte, etwa tausend Meter hoch. Wir konnten hören, wie die Gebirgsbäche unten kalt über kalte sternbeglänzte Felsen rauschten, aber wir konnten sie nicht sehen. «Hallo, kleines Reh!», rief ich dem Tier nach. «Mach dir keine Sorgen, wir schießen dich nicht tot.» Und jetzt in der Bar, wo wir auf meinen ausdrücklichen Wunsch eingekehrt waren («In dieser Art von kalter nördlicher Gebirgsgegend gibt es für die Seele eines Mannes um Mitternacht nichts Gescheiteres als ein gutes warmes Glas mit wärmendem rotem Portwein, so schwer wie der Sirup König Arthurs») –––
    «Okay, Smith», sagte Japhy, «aber ich finde, wir sollten auf einer Bergwanderung nicht trinken.»
    «Und warum nicht, verdammt nochmal?»
    «Reg dich nicht auf, denk lieber an all das Geld, das wir gespart haben, weil wir dies Wochenende so billig eingekauft haben, und du hast nichts Besseres zu tun, als alles zu versaufen.»
    «Das ist die Tragödie meines Lebens, meines mal reichen, mal armen, meistens aber armen, wahrhaft armen Lebens.» Wir betraten die Bar, die eigentlich eine Raststätte im Stil dieser Vorgebirgsgegend war, aufgemacht wie eine Schweizer Sennhütte mit Elchgeweihen und ausgestopften Tieren in den Nischen, und die Leute in der Bar selbst eine einzige Reklame für die Jagdsaison, aber alle voll, eine verwobene Masse von Schatten in der halbdunklen Bar, als wir hereinkamen und uns auf drei Hocker setzten und Portwein bestellten. Portwein war eine ungewöhnliche Bestellung in diesem Whiskyland der Jäger, aber der Mann an der Bar stöberte irgendwo noch eine Flasche Christian Brothers Port auf und goss uns zwei große Weingläser voll (Morley ist völlig abstinent), und Japhy und ich tranken und fühlten

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