Ganz oder gar nicht (German Edition)
nicht.
Bereits vor der WM in Italien durfte ich mit Ruud Gullit, Gianluca Vialli und dem Russen Zawarow die Hauptrollen in einer italienischen TV-Werbekampagne für den Süßwarenhersteller Ferrero spielen. Es war so eine Punktesammelgeschichte. Für ein Duplo einen Punkt, für 300 Punkte hätte es einen Ball gegeben, ein Trikot oder irgendein anderes Kleidungsstück. An mir war es, eine Giubbotto, eine Regenjacke, anzupreisen. Und ich bekam diesen einen einfachen Satz nicht über die Lippen. Für jedes italienische Kind wahrscheinlich eine Leichtigkeit, für einen deutschen Gastarbeiter wie mich ein unaussprechlicher Zungenbrecher. Wir mussten 25 Wiederholungen drehen. Damit amüsierte ich das gesamte Team, die Italiener haben sich kaputtgelacht. Mir selbst war es einfach nur extrem peinlich.
Der für mich interessanteste Vertrag ergab sich unmittelbar nach der WM. Ich war zur Marke geworden und stand wie kein anderer für den Erfolgsfußballer schlechthin. American Express wollte mit Sportlern aus fünf, sechs verschiedenen Disziplinen eine weltweite Kampagne schnüren. Die amerikanische Starfotografin Annie Leibovitz sollte die Bilder machen. Geld war dabei allerdings kaum zu verdienen. Ich hoffe, man glaubt mir, wenn ich sage, dass ich damit genauso viel verdiente wie bei meinem Deal mit Puma, nämlich 25000 Mark. Das war damals so.
Die Produktion war hochprofessionell. Wochen vor dem Shooting besuchten mich Mitarbeiter der Werbeagentur in Mailand, um in langen Gesprächen herauszufinden, welche Geschichte mit meinem Motiv am besten erzählt werden könnte. Die Fotos wurden in Erding geschossen. Die Altstadt wurde dafür abgesperrt, riesige Scheinwerfer beleuchteten ganze Straßenzüge. Das Motiv: ich als Straßenfußballer. Pflastersteine unter mir, eine abgebröckelte Hauswand und eine alte Holztür hinter mir, vor mir ein historischer Lederball. Ich trug keine Fußballschuhe, sondern abgewetzte Halbschuhe. Dazu eine hochgekrempelte Hose mit Hosenträgern, ein weißes Unterhemd und Gel in den Haaren. Vierzig Menschen mühten sich von morgens bis abends. Acht Assistenten lasen Leibovitz jeden Wunsch von ihren Lippen und passten auf, dass die Königin der Fotografie nicht von ihrer Leiter fiel, von der aus sie die Bilder schoss. Es war fast schon übertrieben.
Danach folgten Verträge für Gatorate und Panasonic, der Puma-Vertrag wurde ausgeweitet. Eine eigens entworfene Matthäus-Kollektion kam auf den Markt: Turnschuhe, Freizeitschuhe, Freizeitanzüge in verschiedenen Farben. Die Honorare läpperten sich, kein Vergleich mehr zu den bescheidenen Einnahmen, die ich bisher für die Panini-Klebebildchen zu den großen Turnieren (ich glaube, es waren 2 000 Mark) oder für die Schallplatten mit der Nationalmannschaft bekommen hatte. Aber immer noch viel weniger als die Werbehonorare, die heute ein Lionel Messi einstreichen kann. Damals war man einfach stolz, zum Beispiel bei einer Schallplatte mitmachen zu dürfen.
Ich erinnere mich noch gut an die Aufnahmen mit Michael Schanze für die WM 1982. Da standen wir in unseren bordeauxroten Trainingsanzügen in einem Studio in Köln und waren völlig gehemmt. Keiner wollte sich blamieren. Erst als Champagnerflaschen herumgereicht wurden, lockerten sich unsere Zungen, und wir trauten uns endlich, den WM-Song »Olé España« einzusingen. Dank der Kopfhörer, die jeden mit dem Playback versorgten, konnten wir uns selber nicht hören. Zum Glück, es klang einfach grausam. Immerhin hat es für diese Katastrophenleistungen, die die Nationalmannschaft alle vier Jahre bis zur WM 1994 in den USA abliefern musste, zwischen 5 000 und 10000 Mark gegeben.
Heute würde man für diese Summen keinen Finger bewegen. Der Fußball hat sich eben auch als Werbemarkt entwickelt, hat die Massen erreicht, ist allgegenwärtig. Werbeikonen wie Beckham oder Messi sind längst keine Ausnahme mehr. Die Inszenierung von Fußballhelden für Produktmarketing stand 1991 noch sehr am Anfang.
DER TRAUM VON REAL MADRID
Die Erfolge führten zu einem fantastischen Angebot. Im März 1991 trafen Norbert Pflippen und ich uns mit Ramón Mendoza, dem Präsidenten von Real Madrid, zu einem Geheimtreffen in einem Genfer Hotel. Wir sind uns schnell einig geworden über das Gehalt und die Vertragslaufzeit und gaben uns die Hand. Ich war in froher Hoffnung, aber längst nicht sicher, dass der Wechsel steht. Denn jetzt mussten sich noch die Vereine einig werden, ich hatte ja noch einen laufenden Vertrag bei
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