Ganz oder gar nicht (German Edition)
auf, dass da diese hochattraktive Frau war. Nun konnte ich mich nicht einfach plump und vor den Augen aller neben sie setzen. Aber ich wusste, Bayern-Doc Wilhelm Müller-Wohlfahrt würde mit Lolita und ein paar anderen einen trinken gehen. Er war es, der mir von dem Abend ihre Telefonnummer mitbrachte. Ich rief Lolita an, sie sprach perfektes Deutsch, wir verabredeten uns zum Essen. Ich wollte einen Menschen, der mir gefiel, näher kennenlernen.
In diesem Fall war es Liebe auf den ersten Blick. Vielleicht auch, weil man zu Hause nicht mehr die Schmetterlinge im Bauch spürte. Ich gestand Silvia, dass ich mich verliebt hätte, und begann eine Fernbeziehung mit Lolita. Es war sicher keine einfache Situation. Ich war zu Hause, aber ich nahm mir meine Freiheiten, um den Gefühlen für eine andere Frau nachzugehen. Silvia wusste, wo ich am Wochenende war. Natürlich war sie traurig, natürlich weinte sie. Ich hatte aber den Drang zu gehen, ich war fokussiert auf Lolita. Fast jedes Wochenende zog es mich in die Schweiz. Ich sagte Silvia, dass mein Herz woanders wäre und schlug vor, uns scheiden zu lassen. Ich sagte ihr auch, dass ich es akzeptieren würde, wenn sie nach einem meiner Wochenendtrips nicht mehr hier sein würde.
Aber Silvia blieb. Sie wollte wohl die Familie nicht verlieren. Deshalb ertrug sie so viel. Es tut mir leid, was ich ihr zugemutet habe. Aber mir war einfach etwas passiert, was täglich tausend anderen passiert: Ich hatte mich in eine andere verliebt. Und ich bin kein Typ, der Liebe vorspielt. Vor der WM 1990 begann meine Liebe zu Lolita wieder aufzuflammen. Sie plante, mich während des Turniers zu besuchen. Leider machte ihr Job uns einen Strich durch die Rechnung. Für die deutsch-schweizerische Kino-Coproduktion »Der doppelte Nötzli« musste sie sechs Wochen in Berlin vor der Kamera stehen. Ich kam auf eine Telefonrechnung von einigen tausend Mark.
1991 war dann endgültig Schluss mit Silvia und mir. Ich kündigte an, mit Lolita Sommerurlaub in der Karibik zu machen, und ging davon aus, dass Silvia bei meiner Rückkehr weg sein würde. Und genauso war es auch. Der gemeinsame Urlaub war zu viel. Es standen noch Möbel in der Wohnung, aber die Wohnung war leer. Sie fühlte sich leer an. Ich habe das nicht nur verstanden, sondern voll akzeptiert.
Meine Kinder müssen erst beim Auszug 1991 realisiert haben, dass es aus war. Es gab nie dramatische Momente mit Viola und Alisa, in denen sie mir vorwarfen, nicht mehr für sie da zu ein. Dennoch tat mein Herz weh, wenn ich an sie dachte. Die zu Ende gehende Liebe zu meiner Frau hatte ja nichts mit der Liebe zu meinen Kindern zu tun.
Ich bin nicht der Meinung, dass man eine Ehe nur wegen der Kinder aufrechterhalten sollte. Man sollte offen miteinander umgehen und einen gemeinsamen Weg finden. Natürlich empfindet sich dabei immer einer als Verlierer. Silvia ist die einzige Frau, die richtig sauer auf mich sein könnte. Als Gewinner sah ich mich aber nicht, denn ich war es ja, der ausgebrochen ist. Vieles war mir nicht mehr zeitgemäß, ich habe nach etwas mehr Aufregung gesucht. Es kristallisierte sich die Idee in meinem Kopf heraus, etwas versäumt zu haben als Mann. Eine einzige Frau im Leben? Ja, mein Vater würde das vielleicht gut finden. Aber nicht ich.
Lolita – seit unserer ersten Begegnung vor fünf Jahren hatte sie eine rasante Karriere als TV-Moderatorin gemacht – lebte bisher in Genf und zog jetzt zu mir nach Italien. Wir verbrachten keinen einzigen Tag in meinem bisherigen Haus in Carimate. Nach wenigen Wochen fanden wir einen ansprechenden Ersatz in Civate, einem etwas nördlicher gelegenen Bergdörfchen. Es hatte zwar keinen Pool wie das erste, aber einen ebenso großen Garten, der von einem Gärtner auf den Zentimeter genau gepflegt wurde. Das Haus war hochmodern und passte eigentlich gar nicht in dieses landschaftliche Idyll. Als wir Mailand Mitte 1992 verließen, zog der holländische Stürmer Dennis Bergkamp dort ein.
DER ÜBERFALL UND ANDERE POLIZEIGESCHICHTEN
Das Anwesen sah wohl so verlockend aus, dass es zum Schauplatz eines Verbrechens wurde. Es war der 18. März 1992, drei Tage vor meinem 31. Geburtstag. Inzwischen war Lolita schwanger. Mit Inter Mailand musste ich zu einem Freundschaftsspiel nach Klagenfurt. Vom Klagenfurter Flughafen aus rief ich bei Lolita an, erzählte ihr kurz, dass wir gewonnen hätten, und fragte sie, ob bei ihr alles klar sei. »Ja, ja«, sagte sie, »alles klar.«
Ich setzte mich in den
Weitere Kostenlose Bücher