Ganz oder gar nicht (German Edition)
einem Champions-League-Spiel in Belgrad an. Zu später Stunde wollte ich mich mit zwei deutschen Freunden in einem Restaurant auf der Donau treffen. Als ich mich dem Laden näherte, fiel meine Aufmerksamkeit auf fünf attraktive Frauen. Sie hatten wohl gerade ihr Diner hinter sich gebracht und sahen aus, als wollten sie noch ins Nachtleben starten. Wir kamen uns näher, ich schaute genauer hin und merkte, dass ich eine dieser Frauen aus Amerika kannte. Sie war Teil einer Gruppe gewesen, mit der Maren und ich in Manhattan essen waren. Wir begrüßten uns, die Damen blieben stehen, man unterhielt sich kurz, aber schon während dieses Gesprächs wurde ich abgelenkt von der Frau, die direkt neben dieser New Yorker Bekannten stand: Marijana.
Marijana wusste nicht, dass ich hier in Belgrad Trainer war. Sie erzählte, dass sie zwar Serbin sei, aber wegen des Krieges nach Budapest ausgewandert sei und auch heute noch dort leben würde. Ich parierte mit der Aussage, dass ich die Strecke Belgrad–Budapest–Wien häufiger mit dem Auto fahren würde, da ich auch mal in Wien gearbeitet hätte. Man könnte ja bei der nächsten Tour einen Kaffee trinken. Unter uns: Ich bin nie mit meinem Auto von Belgrad über Budapest nach Wien gefahren. Aber ich wusste, dass das geografisch irgendwie hinhaut.
Wir tauschten die Nummern aus und verabredeten uns in den nächsten Wochen tatsächlich das eine oder andere Mal zum Essen. Ich hatte schon vielen schönen Frauen gegenübergesessen, die nicht mit Messer und Gabel umgehen konnten. In solchen Momenten war für mich das Date schon geplatzt. Mit Marijana war es erfrischend anders. Sie war distinguiert, ihr Temperament beeindruckte mich, und sie hatte Humor. Wir führten lange Gespräche bis in den frühen Morgen.
Nach sechs bis acht Wochen wurde ich von RTL zum Formel-1-Rennen auf dem Hungaroring nahe Budapest eingeladen und bat Marijana, mich zu begleiten. Das war der erste offizielle Termin mit ihr. Am Anfang spielte sich unser Leben zwischen Belgrad und Budapest ab, und es war geplant, dass Marijana in meine Belgrader 260-Quadratmeter-Wohnung zieht. Bekanntlich konnte oder wollte Belgrad mein Gehalt nicht mehr bezahlen, aber wie der liebe Gott es wollte, durfte ich neuer Nationaltrainer in Ungarn werden.
Vorher fand jedoch noch etwas nicht Unwesentliches statt: meine dritte Hochzeit. Auch in diesem Falle war ich der festen Überzeugung, dass diese wunderbare Frau die richtige in meinem Leben sein würde. Nach vier Monaten gaben wir uns das Jawort. Standesamtlich und bei mir zu Hause. Ich wollte keine Öffentlichkeit. Für die Zeremonie schmückten wir den Glastisch im Esszimmer mit Blumen und baten zwei Trauzeugen – einer davon war mein Dolmetscher Marco – und acht Gäste, mit uns diesen besonderen Moment zu verbringen. Am Abend feierten wir mit vierzig Gästen in einem Belgrader Lokal. Marijanas Exmann war mit der Hochzeit mehr als einverstanden. Wir hatten uns schon vor meiner Beziehung mit Marijana kennengelernt, er wusste, dass ich mich auch um die drei gemeinsamen Kinder kümmern würde.
In der Tat: Ich habe in meinen Ehen und Partnerschaften immer mehr gegeben, als ich bekommen habe. Auch wenn ich als Spieler und Trainer viel unterwegs gewesen bin, war ich doch für meine Frauen da. Sie erhielten von mir jede Unterstützung, ich war – das lernt man als Fußballspieler – nie ein Egoist. In meiner dritten Ehe mit Marijana trieb ich dieses Prinzip fast bis zur Selbstaufgabe. Ich sorgte mich um ihre Kinder – sie waren zwischen sieben und 15 Jahre alt –, als seien es meine eigenen. Ich kümmerte mich um ihr Modegeschäft in Salzburg, ich änderte Reiserouten, damit ich ihre schwerkranke Mutter im Krankenhaus von Novi Sad besuchen konnte. Und am Ende gab ich für sie sogar meinen Trainerjob in Brasilien auf und beging damit den wohl größten Fehler meiner Trainerlaufbahn …
UNGARN GEGEN DIE GROSSEN
Meine erste Amtshandlung als ungarischer Nationaltrainer war alles andere als leicht. Ende Januar 2004 machte ich mich auf in das kleine Städtchen Gyor, um einer Beerdigung beizuwohnen. Miklós Fehér, 24-jähriger ungarischer Nationalstürmer, hatte während eines Auswärtsspiels seines Clubs Benfica Lissabon einen Herzstillstand erlitten und war auf dem Weg ins Krankenhaus gestorben. 1 000 Menschen kamen, um Abschied von ihm zu nehmen. Ich hatte Fehér nicht gekannt, sah mich als Nationalcoach aber in der Verpflichtung, gemeinsam mit anderen Offiziellen den
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