Ganz oder gar nicht (German Edition)
wäre Trainer und Sportdirektor in einem gewesen, quasi der Felix Magath Österreichs, nur ohne Prokura. Mein Ziel: aus Red Bull Salzburg eine Mannschaft zu formen, die Champions-League-fähig sein würde. Gleichzeitig sah ich in der Aufgabe die Chance, mich auch wieder für den deutschen Markt interessant zu machen.
Die ersten drei Wochen liefen wie am Schnürchen. Ich setzte mich haarklein mit dem österreichischen Fußball auseinander, bald kannte ich Red Bull Salzburg in- und auswendig. Mit diesem Wissen formte ich mir mein Team, kaufte Spieler, verkaufte Spieler. Erstmals hatte ich die Möglichkeit, aus dem Vollen zu schöpfen. Das Budget belief sich auf fünfzig bis sechzig Millionen Euro, für österreichische Verhältnisse ungeheuer viel. Aber es ging ja dabei nicht nur um die Mannschaft und den Erfolg des Vereins, es ging auch um die Marke, um den Abverkauf der Dose mit dem Energy-Drink, der laut Werbung Flügel verleihen soll.
Ich veranlasste sieben Transfers, sie kosteten weniger als ein einziger Transfer meines Vorgängers Kurt Jara ein Jahr zuvor. Im Laufe meiner Karriere hatte ich viele Spielervermittler kennengelernt und besaß nach wie vor ihre Nummer. Wenn du kein Scoutingsystem hast wie in Deutschland üblich, musst du dir mit einem solchen persönlichen Netzwerk behelfen. Ich rief also meine Kontakte an und beschrieb ihnen exakt, welche Art Spieler ich für welche Position benötigen würde. »Bringt mir ja nichts, was ich nicht bestellt habe, sonst ist es das letzte Geschäft, das ihr mit dem Verein macht.« Ich lasse mir nichts andrehen, und das wissen die Vermittler inzwischen. Für 4,2 Millionen Euro Ablöse kaufte ich sechs Nationalspieler aus sechs verschiedenen Ländern: Milan Dudić, serbischer Nationalspieler von Roter Stern Belgrad, Johan Vonlanthen, Schweizer Nationalspieler vom PSV Eindhoven, Nico Kovac, kroatischer Nationalmannschaftskapitän, Karel Piták, tschechischer Nationalspieler, Remo Meyer, Schweizer Nationalspieler, Vladimir Janocko, slowakischer Nationalspieler. Dazu noch zwei Spieler, die ich für ein Trinkgeld bekam: Timo Ochs, der Torhüter von 1860 München, und Markus Steinhöfer aus der zweiten Mannschaft des FC Bayern. Heute spielt er beim FC Basel Champions League.
Ich stellte die Mannschaft zusammen, als die Jungs von Red Bull kurz vor Saisonbeginn auf die Idee kamen, Giovanni Trapattoni als Trainer zu holen. Was sollte das nun schon wieder? Ich mochte ihn ja, aber musste er mir gerade hier wieder begegnen? War ich nicht gerade Trainer geworden? Keine Ahnung, warum die Herren plötzlich auch Trap noch ein Gehalt zahlen wollten. Es gab Experten, die davon ausgingen, dass der Dosendrink in Italien nicht so gut lief und deshalb dort einen Popularitätsschub benötigte – eben durch ein prominentes Testimonial namens Trapattoni. Franz Beckenbauer rief mich an und meinte: »Beruhige dich. Trapattoni wird nicht Trainer, sondern eher Sportdirektor, der das Ganze von außen beobachtet. Er wird das neue Gesicht des Vereins. Er wird vielleicht auch mal auf dem Trainingsplatz auftauchen. Aber du bist der Trainer!« Franz’ Wort in Gottes Ohr. Doch Gott war taub.
In der Pressekonferenz, in der Giovanni Trapattoni der Öffentlichkeit vorgestellt wurde, merkte man sofort, dass die bei Red Bull etwas von Marketing verstehen. Viele Medienvertreter aus Italien saßen in den Stuhlreihen. Mateschitz hatte sie eigens mit einem Flieger dort unten einsammeln lassen. Es war schon ein ganz großes Ding. Aber Fußball ist nicht die Formel 1 und auch kein Skisport, wo sich Red Bull auskannte und auch erfolgreich war.
Nun hatte ich mir schon einen Stab aufgebaut mit Hansi Flick als meinem sehr akribisch arbeitenden Co-Trainer. Thorsten Fink, den ich schon 1997 durch einen Hinweis an Uli Hoeneß von Karlsruhe zum FC Bayern geholt hatte, war für die zweite Mannschaft verantwortlich. Und dann kam Trapattoni, und alles wurde über den Haufen geworfen. Plötzlich wurden Unsummen für Transfers ausgegeben. Trapattoni holte noch zwei viel zu teure Spieler, Christian Tiffert aus Stuttgart und einen Mann namens Vargas aus Livorno, die wir eigentlich gar nicht mehr gebraucht hätten. Beide wurden im Nachhinein zu Problemfällen, auch in der Mannschaft. Sie passten vom Typ einfach nicht ins Gefüge. Dazu wurden Spielergehälter gezahlt, deren Höhe ich ebenso wenig nachvollziehen konnte.
Und zur Krönung die große Preisfrage: Wer stand am ersten Trainingstag als Allererster in kurzen
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