Ganz oder gar nicht (German Edition)
Hosen auf dem Platz? Trapattoni natürlich! Ich hatte es geahnt. Trapattoni muss erst am Krückstock gehen, bevor er sich mit einem Schreibtischjob zufriedengibt. Der Mannschaft wurde eindeutig klargemacht, dass mir da jemand vor die Nase gesetzt wurde. Kurz: Ich wurde daran gehindert, meinen Vertrag als Cheftrainer zu erfüllen. Über Nacht war Trapattoni zum Cheftrainer ernannt, ich war Co-Trainer, und Hansi Flick war irgendwo.
Die Presse erfand für das neue Trainerduo das nette Kunstwort »Trapatthäus«. Ich machte gute Miene zum bösen Spiel und pochte erst einmal nicht auf die ursprünglichen Inhalte meines Vertrags. Insgeheim hoffte ich, dass Trapattoni nach ein paar Monaten sich in sein »Büro« zurückziehen würde. Aber das Gegenteil passierte. Er steigerte sich total in seinen Job hinein und übernahm die Herrschaft, ohne sich auch nur einen Hauch reinreden zu lassen. Trap verglich unsere Liaison sogar mit einer Ehe, in der einer, nämlich der Mann – also er –, die Hosen anhaben müsste, damit dann aber auch die Verantwortung tragen und im Ernstfall den Kopf hinhalten würde. Ich hätte mir das Ganze seiner Meinung nach ansehen und als eine Art Lehrschule betrachten können. Ich fühlte mich zu dem Zeitpunkt aber nicht mehr so, als müsste ich in sportlicher Hinsicht eine Grundausbildung absolvieren. Die Verantwortung hätte ich längst selber tragen können.
Trotz alledem nahm ich Trapattoni noch in Schutz. Wie eines schönen Sonntags, als er nicht wie vereinbart um zehn Uhr zum Auslaufen auf dem Trainingsplatz erschien. Ich rief ihn an, erreichte ihn nicht und teilte den Spielern einfach mit, dass Trapattoni etwas später kommen würde, weil er noch etwas zu erledigen hätte. Ich sagte der Mannschaft, dass wir ohne ihn anfangen würden. Nico Kovac bat ich als Kapitän, das Auslaufen mit den am Vortag eingesetzten Spielern zu übernehmen. Ein Teil des Teams sollte danach zum Fitnesstrainer, mit dem Rest wollte ich leicht trainieren. Um zehn vor elf, fünfzig Minuten verspätet, erschien Trapattoni auf dem Gelände, sah, dass ich mit der Mannschaft arbeitete und schrie mich in einer Mischung aus Deutsch und Italienisch an: »Was bildest du dir ein, mit der Mannschaft zu trainieren, wenn ich nicht da bin!« Ungeheuerlich. Er konnte nicht abgeben.
Ein anderes Mal kam er zu spät zur Trainerbesprechung. Zehn Minuten vor dem Training erschien er in der Kabine. Ich fragte ihn: »Trap, wie machen wir heute das Training? Kann ich schon etwas organisieren?« Er griff sich in die Hosentasche, zog einen total zerknüllten Zettel heraus und meinte: »Hier, Lothar, das ist unser Training heute.« Ich nahm das Papier und faltete es auf. Es stand zwar eine Trainingseinheit drauf, aber oben rechts war ein drei Monate altes Datum zu lesen. Zum Totlachen. Trapattoni war halt damals schon nicht mehr der Jüngste.
So sehr mich Trapattoni als Spieler gefördert hatte, so sehr sah er jetzt in mir den Konkurrenten. Immerhin hatte ich ja einen Cheftrainer-Vertrag. Unser freundschaftliches Verhältnis kühlte sich extrem ab, ich habe auch Respekt vor ihm verloren. Er konnte nicht kommunizieren, er wollte nicht diskutieren, er hat nur sich gesehen. Er fuhr uns über den Mund und stellte auch Hansi Flick vor der gesamten Mannschaft bloß. Hansi wollte eine neue, etwas kompliziertere Übung mit Ballpassagen ins Training einführen, um die grauen Zellen der Spieler zu fordern. Nachdem die Einheit auch beim zweiten Anlauf nicht flüssig geklappt hatte, brach Trap die Sache ab, herrschte Hansi an, er solle beiseitegehen, um dann ein ganz simples Passspiel zu üben. So etwas macht man nicht vor den Spielern. Die haben sich glücklicherweise über Trapattoni gewundert und nicht über Hansi.
Nach zwei Monaten kam Hansi Flick zu mir und fragte: »Lothar, kann ich gehen? Ich habe ein Angebot vom DFB.« Ich sagte: »Hansi, ich freue mich für dich. Sei froh, dass du dieses Angebot hast und nutze die Chance.« Hansi hatte Sportlehrer gelernt und war hier nicht mehr als ein Hütchenaufsteller. Hansi ging, und ich hielt durch mit der Faust in der Tasche. Und das, obwohl die Zusammenarbeit mit Trapattoni zur Farce wurde. Aber ich wollte nach meinem kurzen Intermezzo in Brasilien keinen Anlass für eine schnelle Entlassung schaffen.
Viele der Spieler, die ich geholt hatte, kamen zu mir, weil sie nicht verstanden, was Trapattoni ihnen zu erklären versuchte. Völlig skurril wurde es dann während der Spiele. Trapattoni, als
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