Garnet Lacey 04 - Biss in alle Ewigkeit
ging er mit mir zu einem alten Toyota, dessen orangerote Lackierung bestens zu den bräunlichen Rostflecken passte, die das Blech überzogen. Die hintere Stoßstange schien nur noch durch Dutzende Wahlaufkleber zusammengehalten zu werden.
Ich sah zu Parrish. „Sag mal, hast du den Wagen geklaut?“
„Falsche Zeit“, gab er zurück und zerrte an der Fahrertür. Dann stieg er ein und öffnete von innen die Beifahrertür.
Meine Hand lag noch auf dem Türgriff. „.Falsche Zeit“? Was soll denn das heißen?“ Dann dämmerte es mir. „Willst du etwa sagen, du klaust ihn jetzt gerade?“ Ich ließ den Griff los, als wäre er heiß - was im übertragenen Sinn sogar stimmte. Nervös sah ich über die Schulter, ohne so genau zu wissen, wonach ich eigentlich Ausschau hielt. Nach einem Dutzend Polizeiwagen, die von allen Seiten angerast kamen? Der Parkplatz war nach wie vor menschenleer. Schneeflocken trieben träge an den Straßenlampen vorbei.
Unter dem Fahrersitz fand Parrish einen Eiskratzer, mit dem er das Eis von seiner Seite der Windschutzscheibe wegschabte, das sich durch seinen warmen Atem bildete. „Steig schon ein“, forderte er mich auf. „Sofern du uns nicht nach Hause teleportieren kannst, brauchen wir einen Wagen. Beeil dich!“
Als er das Wort 'teleportieren' aussprach, musste ich an Teréza denken, die jetzt gerade vermutlich in der Scheune schmollte, während meine Mutter und Sebastian sich im Haus unterhielten. Ich stieg ein. Im Wagen roch es nach Gewürznelken-Zigaretten und Patschuli, und der Fußraum war mit leeren Energy-Drink-Dosen übersät, sodass ich kaum Platz für meine Füße fand. Mittlerweile hatte Parrish das komplette Zündschloss kurzerhand rausgerissen und stocherte mit einem Schraubenzieher aus dem Ablagefach in dem entstandenen Loch herum, dann drehte er ihn, und der Motor sprang an.
Ich wandte mich auf meinem Sitz um und sah zur Bar. Ich war davon überzeugt, dass der Besitzer des Wagens jeden Moment nach draußen kommen würde, um zu sehen, wie sein fahrbarer Untersatz sich ohne ihn davonmachte. Parrish gab Gas, als wir den Parkplatz verließen, aber für meinen Geschmack fuhr er noch lange nicht schnell genug.
„Wohin würde ich gehen?“, murmelte er und kratzte sich am Kinn. Ich konnte hören, wie seine Fingernägel über die Bartstoppeln schabten. „Ich würde mich an einen Freund wenden. Aber Lady von Traum scheint mir eher jemand zu sein, der sich unter einer Brücke versteckt.“
„Sie ist nicht seine Ehefrau“, ging ich dazwischen. „Und ich glaube, Sebastian wurde auch nie zum Ritter geschlagen.“ Mein Rücken juckte vor Nervosität, als ich mich nach hinten lehnte, weil ich wusste, wir waren in einem gestohlenen Wagen unterwegs. Abermals schaute ich mich um, doch wir wurden noch immer nicht von der Polizei verfolgt. „Was meinst du, wann auffallen wird, dass der Wagen weg ist?“
„Die Bar macht um zwei zu“, sagte Parrish. Wir bogen auf den Highway ein, und er schaltete in einen höheren Gang. „Ich hoffe, bis dahin bin ich diese Karre losgeworden. Keine Sorgen, den Wagen wird man etliche Meilen von eurem Haus entfernt wiederfinden.“
Vermutlich lag es an meinem nervösen Atmen, dass die Fenster beschlugen. Parrish drehte die Belüftung auf höchste Stufe.
„Aber du machst dir was vor, wenn du glaubst, dass Sebastian nicht irgendeinen Titel innehat“, redete er schließlich weiter. „Alchemie war nie ein Zeitvertreib für die arbeitende Bevölkerung. Und Adlige, jedenfalls die, die ich kennengelernt habe, haben einen ausgeprägten Sinn für Ritterlichkeit. Ein Mann wie Sebastian ... überleg doch mal. Er ist kein Mann, der eine alleinstehende Frau sich selbst überlässt, die sich in einer delikaten Verfassung befindet. Oder siehst du das anders?“
Ich musste zugeben, dass mir der Gedanke auch schon mal gekommen war - letzte Nacht, um genau zu sein, als mir das mit Cher durch den Kopf gegangen war. „Vielleicht kenne ich
Sebastian doch gar nicht so gut, wie ich dachte.“
„So?“
Es klang nach einer völlig harmlosen Frage, aber ich wusste genau, das war eine Falle. Wenn ich jetzt irgendeine Schwäche eingestand, würde ich mich auf einen Weg begeben, dem ich nicht folgen wollte. „Ich habe sie erwischt, wie sie sich im Wald geküsst haben“, erwiderte ich seufzend. Ich verfluchte meinen Mund dafür, dass er einfach nicht meinem Gehirn gehorchte. „Teréza und Sebastian“, ergänzte ich für den Fall, dass nicht längst klar war,
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