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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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kümmerte sich um den Rasen. Seine Frau kochte und die Familie aß anschließend bei schönem Wetter gemeinsam im Freien. Die Jungs spielten Fußball und beobachteten, wie auf der benachbarten Koppel ein Fohlen zu Welt kam. Gesine lernte auf dem zugefrorenen See Schlittschuhlaufen. Besonders wohl in Parum fühlte sich Christian, der immer mal hierherkam, wenn er mit seinen Eltern Ärger hatte. Beate Brodowski spielte für ihn eine ähnliche Rolle wie für seinen Vater in dessen Kindheit Tante Marianne. So lange die Gaucks noch in Lüssow wohnten, ging Christian öfter den fünf Kilometer langen Feldweg von Lüssow zu Fuß nach Parum. Später brachten er und sein Bruder Martin ihre Freundinnen mit hierher. Sie waren nicht traurig, wenn die Hausherrin wieder mal unterwegs war und sie das Haus für sich allein hatten.

    20  Mit Beate Brodowski, Tochter Gesine und Hansi Gauck 106

Im Visier der Staatssicherheit
    Praktisch von Beginn seiner beruflichen Tätigkeit an stand Joachim Gauck unter Beobachtung des 1950 gegründeten Ministeriums für Staatssicherheit ( MfS ), Hier waren sowohl die Auslandsspionage der DDR angesiedelt als auch die nach innen gerichtete Geheimpolizei des SED -Staates, die für die Ermittlungen in »politischen Straftaten« zuständig war. Als »Schild und Schwert der Partei« war das MfS das wichtigste Instrument der SED zur Unterdrückung von DDR -Oppositionellen. Mit Hilfe einer Heerschar »Inoffizieller Mitarbeiter« ( IM ), die heimlich angeworben wurden und ihre Mitarbeit beim MfS geheim halten mussten, registrierte die Staatssicherheit jede oppositionelle Äußerung und Regung der Bürger. Wie ein Riesenkrake machte sich die Stasi unter den Bewohnern der DDR ständig breiter. Mit seinen unzähligen Saugnäpfen schaffte er unermüdlich, Tag und Nacht, Informationen in sein Inneres: Heimlich aufgezeichnete und von Inoffiziellen Mitarbeitern weitergeleitete Gespräche, Fotografien, die aus einem Versteck heraus gemacht worden waren. Aufnahmeprotokolle von verwanzten Telefonen.
    Ein Jahr nachdem Joachim Gauck seine erste Pfarrstelle angetreten hatte, meldete eine Lehrerin an die Kreisdienststelle des MfS in Güstrow: »Seitdem der Gauck im Jahre 1967 nach Lüssow gezogen ist und seine Tätigkeit aufgenommen hat, ist ein spürbarer Rückgang an Jugendweiheteilnehmern zu verzeichnen. Gauck versteht es, durch gute Umgangsformen, Organisierung von Zusammenkünften am Wochenende, Fahrten in die Umgebung usw. Einfluss insbesondere auf die Mädchen der 7. und 8. Klasse auszuüben.« Auch die gemeinsame Jugendarbeit von Brodowski und Gauck interessierte das MfS brennend. Nach der Wen 107 de las Brodowski ihre Stasiakte. »Was für ein Blödsinn darin stand«, wunderte sie sich, »die haben doch glatt aufgeschrieben, welche Lieder wir gesungen haben!«
    1970 wurde Joachim Gauck von der Stasi im Operativen Vorgang »Kontakt« erfasst. Ein Operativer Vorgang ( OV ) wurde von der Staatssicherheit angelegt, wenn sie verdeckt gegen Einzelne oder Gruppen »feindlich-negativer« Personen strafrechtliche Ermittlungen einleitete und aktiv gegen sie vorgehen wollte. Das MfS hegte den Verdacht, dass Gauck zu einer Gruppe von Geistlichen gehörte, die Kontakte zu westlichen Kirchenstellen dazu nutzten, »eine systematisch feindliche Beeinflussung religiös gebundener Jugendlicher aus der DDR zu betreiben«. Weiter hatten heimliche MfS -Zuträger festgestellt, dass es dabei zu »illegalen« Zusammenkünften mit westlichen Kirchenleuten gekommen war, die einen »feindlichen und untergründigen Charakter trugen«. Gauck, in der Akte öfter mal »Gaug« geschrieben, war vom berichtenden IM »Dieter Müller« als einer der Organisatoren dieser illegalen Treffen identifiziert worden.
    Tatsächlich hatte Gauck mehrfach an innerkirchlichen Arbeitstreffen teilgenommen, bei denen Geistliche aus beiden deutschen Staaten zusammenkamen. Sie trafen sich dabei in kirchlichen Einrichtungen, mal in Berlin, mal in Mecklenburg. Die Veranstaltungen standen unter Themen wie »Wozu taugt der christliche Glaube?« oder »Probleme des Friedens und der Friedenserziehung«.
    Die intensive Beobachtung der im OV »Kontakt« erfassten Geistlichen führte nicht zur Aufdeckung einer Verschwörung gegen die DDR . Auch eine »Feindtätigkeit« konnte nicht nachgewiesen werden. Der IM »Norbert« konnte über eine dieser Veranstaltungen, die von Gauck mit geleitet wurde, lediglich berichten: »Mein bisheriger Eindruck ist der, 108 dass dieses

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