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Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Gauck: Eine Biographie (German Edition)

Titel: Gauck: Eine Biographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Frank
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und anderen leitenden Mitarbeitern der Kirche aufgefordert, seine provokatorischen Aktivitäten einzustellen.« Joachim Gauck merkte dazu an: »Zur Ehrenrettung von Goldenbaum ist zu sagen, dass er keine schriftliche Missbilligung ausgesprochen hat, sondern mich nur mündlich darüber informiert hat, was die Staatsorgane über mich gesagt hatten.« 146
    Dennoch sah sich Gauck daraufhin wieder einmal zu einem taktischen Rückzugsgefecht gezwungen. Er bat um ein weiteres Gespräch mit der Staatsmacht, diesmal mit dem Referenten für Kirchenfragen beim Rat der Stadt Rostock, Udo Lingk, dem Vorgänger von Manfred Manteuffel. Der schlug bei ihrem Treffen in dieselbe Kerbe wie Roland Macht. Er warnte Gauck noch einmal eindringlich, er solle seine Hetzereien, insbesondere die Beeinflussung der Jugendlichen sein lassen, »da er die Grenzen des Vertretbaren bereits überschritten hätte«. Halbherzig entschuldigte sich Gauck daraufhin für seine angeblichen Verfehlungen in der Vergangenheit. Es fiel ihm sichtlich schwer, sich reumütig zu zeigen, da es ihm tatsächlich nur darum ging, sicherzustellen, dass die Machthaber die Durchführung des Kirchentages nicht behinderten. Sich völlig zu unterwerfen lag nicht in Gaucks Natur. Noch in diesem Gespräch gingen die Pferde wieder mit ihm durch, als er zu Lingk sagte, »dass man die Bürger, die in den Westen wollten, doch fahren lassen sollte, dann brauchten sie ja nicht geschleust zu werden«.
    Den Rostocker SED -Funktionären war klar, dass das defensive Auftreten Gaucks und anderer Kirchenvertreter in dieser Phase taktisch bedingt war. Nach Auseinandersetzungen mit einer Reihe von Pastoren im Jahre 1982 sei aktuell eine »relative Ruhe eingezogen«, hieß es in einem internen SED -Papier zum Kirchentag. Diese sei »nur so zu erklären, dass die Vertreter der evangelischen Kirche die Großzügigkeit des Staates für den Kirchentag voll ausnutzen möchten und befürchten, dass Konfrontationen zur Einschränkung dieser Großzügigkeit führen könnten«. Auch die Stasi gab sich keinen Illusionen hin. »In Vorbereitung und Durchführung des Kirchentages der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Mecklenburg vom 10. 6.-12. 6. 1983 147 in Rostock trat der G. relativ verhalten und gemäßigt auf. Es muss eingeschätzt werden, dass die in Vorbereitung des Kirchentages mit G. geführten Aussprachen […] dazu beigetragen haben, dass sich G. in der Öffentlichkeit zurückhaltender verhalten hat, um den Kirchentag nicht zu gefährden. Das bedeutet aber nicht, dass sich damit die feindlich-negative Grundeinstellung des G. verändert hat.«
    Die Eröffnungsveranstaltung in der Marienkirche wurde von Joachim Gauck gemeinsam mit Martina Schmidt, einer Mitarbeiterin in seinem Organisationsteam, moderiert. Rostocks größtes Gotteshaus war an diesem Abend bis auf den letzten Platz besetzt. Selbst Stehplätze gab es nicht mehr. Über dreitausend Menschen drängten sich in dem mächtigen Backsteinbau zusammen, so etwas hatte die Kirche in Mecklenburg in der DDR -Zeit noch nicht erlebt. Die Organisatoren waren vom Andrang völlig überrascht. Gauck war vor Beginn der Veranstaltung sehr aufgeregt. Er bat zwei seiner Mitstreiter kurz vor seinem Auftritt in der Marienkirche noch einmal kurz zur Seite, um gemeinsam mit ihnen zu beten. Bis heute rechnen diese ihm hoch an, dass er sich in der damaligen Situation so offen zu seinen Gefühlen bekannt hatte.
    Geradezu überwältigend war die Teilnahme am Abschlussgottesdienst des Kirchentages, zu dem sich fünfundzwanzigtausend Menschen unter freiem Himmel versammelt hatten. Erneut stand Gauck auf der Rednertribüne, um zu den Gläubigen zu sprechen. Ein Ereignis dieser Art, mit so vielen Menschen, das nicht unter der Organisationshoheit der SED stand, war einzigartig. Seine öffentliche Wirkung war gewaltig, und für Joachim Gauck wurde der Verlauf des Kirchentages 1983 ein großer persönlicher Erfolg, mit dem er sich einen Namen innerhalb der evangelischen Kirche und in der Bevölkerung machte. 148

Zersetzungsmaßnahmen
    Als Organisator des Kirchentages war Gauck zu wichtig geworden, um ihn weiter so frei agieren lassen zu können, wie das bisher der Fall gewesen war. Die Stasioffiziere Major Dorow und Hauptmann Portwich kamen nach zehnjähriger Beobachtung des Geistlichen durch das MfS zu einem gefährlichen Ergebnis. Nicht nur dass Gauck »eine antisozialistisch-feindliche Einstellung zu den gesellschaftlichen Verhältnissen in der DDR « hatte.

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