Gaunts Geister - Band 1-3
Seufzer aus, der verriet, dass er gerade von einer
großen Bürde befreit worden war. »Jemand hat mir gesagt, was ich zu tun habe,
Oberst. Das ist schon sehr lange her ...«
EINE ERINNERUNG
Darendara,
zwanzig
Jahre zuvor
Vier hyrkanische Soldaten
teilten Früchte in dem verschneiten Hof, der von einem Ring brennender
Kohlepfannen erleuchtet war.
Sie hatten einige Fässer in
einem unterirdischen Gewölbe gefunden, sie geöffnet und die großen, runden
Kugelfrüchte aus der Sommerernte in gewürztem Öl darin gefunden. Sie scherzten
und lachten, während sie sie auf eine Lafette legten und mit den Bajonetten in
kleine Portionen teilten. Einer hatte einen großen, vergoldeten Servierteller
aus der Küche gestohlen, und auf den häuften sie die Stücke in der Absicht, ihn
zum Hauptsaal zu bringen, wo der Großteil der Männer ihren Sieg feierte und
sich betrank.
Die Nacht stahl sich über die
zerstörten Dächer des Winterpalasts herein, und die Sterne gingen auf, frostige
Punkte in der kalten Finsternis. Der Junge , der Kommissar-Kadett,
wanderte über den Hof und nahm die Stille auf. Entfernte Stimmen, Gelächter und
Gesang drang herüber. Gaunt lächelte.
Er konnte das
Kasernenraum-Siegeslied heraushören, von vierzig oder noch mehr hyrkanischen
Kehlen wenig harmonisch vorgetragen. Jemand hatte im Text den Namen des Helden
durch seinen ersetzt. Es passte nicht, aber sie sangen es trotzdem und an den
schlüpfrigen Stellen besonders laut.
Gaunts Schulterblätter
schmerzten immer noch von den unzähligen Glückwunschklapsen, die er in den
letzten Stunden empfangen hatte. Vielleicht würden sie jetzt damit aufhören,
ihn den Jungen zu nennen.
Er schaute auf und erblickte
die Landelichter von einem Dutzend vor der Dunkelheit der Nacht ansonsten
unsichtbaren Landefähren, die frische Besatzungstruppen aus der Umlaufbahn
brachten.
Die Landelichter erinnerten ihn
an Sternbilder. Er war noch nie schlau aus den Sternen geworden. Die Leute
sahen Gestalten in ihnen: Krieger, Stiere, Schlangen, Kronen. Willkürliche
Gestalten, so wollte es ihm erscheinen, eine fehlerhafte Deutung stellarer
Konstellationen.
Auf Manzipor, vor Jahren,
daheim, hatte Oric der Koch ihn immer bei Einbruch der Nacht auf seine Knie
gesetzt und ihm die Namen der Sternbilder beigebracht. Vor Jahren. Damals war
er wirklich noch ein Junge gewesen. Oric kannte die Namen, konnte die Linien
dazu zeichnen, welche die Sterne miteinander verbanden, bis sie einen Widder
oder einen Löwen ergaben. Gaunt hatte die Gestalten ohne diese
Verbindungslinien noch nie erkennen können.
Jetzt und hier wusste er, dass
die Lichterketten Landefähren repräsentierten, aber er konnte sich ihre Form
nicht vorstellen.
Nur Lichter. Sterne und
Lichter, Lichter und Sterne. Sie wiesen auf Bedeutungen und Vorsätze hin, die
er noch nicht erkennen konnte.
Wie die Sterne trübten sich die
dahingleitenden Schiffslichter hin und wieder, wenn sie hinter Rauchfahnen
herflogen, die schwarz vor dem schwarzen Himmel aus den immer noch schwelenden
Bereichen des Winterpalasts aufstiegen.
Gaunt knöpfte seinen Mantel zu
und schritt über das große Feld der Steinplatten, wobei seine Stiefel immer
wieder im Schneematsch ausglitten. Er passierte eine große Ansammlung von
Helmen der Abtrünnigen, die zu einem Trophäenstapel aufgehäuft waren. Der
Gestank nach altem Schweiß und Niederlage haftete ihnen an. Jemand hatte auf
jeden eine primitive Version des hyrkanischen Regimentsgreifen gemalt.
Die Männer an den Kohlepfannen
schauten auf, als die Gestalt aus der Dunkelheit auftauchte.
»Es ist der Junge !«,
rief einer.
Gaunt zuckte zusammen und
grinste gleichzeitig.
»Der Sieger von Darendara!«,
sagte ein anderer mit einer betrunkenen Freude, der jegliche Ironie abging.
»Kommen Sie zu uns, und feiern
Sie mit!«, sagte der Erste, während er sich seine mit Fruchtsaft verschmierten
Hände an seinem Uniformrock abwischte. »Die Männer würden gern ein, zwei Gläser
mit Ihnen trinken.«
»Oder auch drei!«
»Oder auch fünf oder zehn oder
hundert!«
Gaunt nickte dankend. »Ich
komme gleich. Öffnet schon mal ein Fass für mich.«
Sie johlten und gackerten und
setzten dann ihre Arbeit fort. Als Gaunt vorbeiging, drehte sich einer von
ihnen um und hielt ihm einen tropfenden Halbmond von einem Fruchtstück hin.
»Nehmen Sie schon mal das! Das
Frischeste, was wir seit Wochen bekommen haben!«
Gaunt nahm die Scheibe und
entfernte mit den Fingern Samen und
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