Gaunts Geister - Band 1-3
damit den Halteriemen
ihres Beutels. Er fiel zu Boden, aber sie war frei. Unter Zurücklassung des
Beutels floh sie aus dem Schuppen und rannte über die Trümmer davon.
Caffran folgte ihr, hatte aber
Mühe, seine größere Leibesfülle durch den Spalt zu zwängen. Er sah sie noch
einen verängstigten Blick zurückwerfen, als sie über die Schutthaufen lief,
bevor sie hinter einem verschwand.
Tona blieb ein paar Minuten in
Deckung liegen, im Ruß eines Kraters und von stinkenden Leichen umgeben. Als es
den Anschein hatte, als würde ihr der Soldat nicht folgen, kroch sie heraus,
lief ein paar Meter zu einer eingestürzten Mauer und verbarg sich dahinter.
Dann hörte sie das Knirschen
von Stiefeln auf Schutt und erstarrte.
Zwanzig Meter entfernt
marschierte der schwarz uniformierte Soldat mit ihrem Beutel in der Hand durch
die Ruinen, obwohl er in die falsche Richtung schaute.
»Hallo?«, rief er. »Hallo? Du
braucht das hier. Du brauchst es wirklich. Hallo?«
Er blieb eine ganze Weile dort
stehen, vielleicht zehn Minuten, und sah sich um. Tona blieb in ihrem Versteck.
Schließlich stellte der Soldat den Beutel auf den Boden.
»Es ist alles hier, wenn du es
willst«, sagte er. Eine lange Pause.
Dann ging er durch die Ruinen
zurück zum Schuppen und durch den Spalt wieder hinein.
Tona wartete volle fünfzehn
Minuten, bevor sie sich in Bewegung setzte. Sie lief aus ihrer Deckung,
schnappte sich im Vorbeigehen den Beutel und tauchte sofort wieder im Irrgarten
der Ruinen unter. Der Soldat schien ihr nicht zu folgen.
In einem Granattrichter kauerte
sie nieder, öffnete den Beutel und begutachtete seinen Inhalt. Alles, was sie
gestohlen hatte, war darin, alles — und dazu drei Flaschen mit sterilisiertem
Wasser, ein Kasten mit Feldverbänden, eine Schachtel mit Einwegspritzen, die
Antibiotika enthielten, ein paar in Netz eingewickelte getrocknete Würstchen
... Und eine Laserpistole, mit Sicherheit genau die Laserpistole, mit der er im
Schuppen auf sie geschossen hatte. Die Energiezelle war noch fast voll.
Eine Weile war sie ganz
benommen, dann lachte sie. In Hochstimmung nahm sie ihren Beutel mit Trophäen
und lief zu ihrem Unterschlupf zurück, wobei sie einen weiten Bogen schlug, um
sicherzugehen, dass man sie nicht verfolgte.
Erst später, nachdem sie und
Dalin die erste anständige Mahlzeit seit einem Monat vertilgt hatten und Yoncy
mit dem Bauch voll Milchsuppe satt und zufrieden schlief, fand sie das
Mützenabzeichen auf dem Boden des Beutels. Silbern und sauber, ein Imperiumsadler
mit dem doppelten Kopf und der Aufschrift Erstes Tanith, von Terras Gott-Imperators
Gnaden auf der Schriftrolle in den Klauenfüßen.
In dem dunklen Unterstand, den
Bauch voll und ihre Schützlinge gesättigt und zufrieden, lehnte sich Tona Criid
im Licht eines Brennklotzes aus Armee-Beständen zurück und fragte sich, wo sie
die Nadel befestigen sollte. Was Banden-Abzeichen betraf, war dieses besser als
die meisten.
Hinter dem Veyveyrtor
beherrschten die Toten die Straßen und Plätze. Arbeitsmannschaften aus
Angehörigen der Vervunwehr, Munitorums-Arbeitern und zivilen Hilfstrupps, die
sich Atemmasken oder Stofffetzen vor das Gesicht gebunden hatten, schleppten
die in der Schlacht Gefallenen aus dem rauchenden Bahnhof auf die freien Plätze
nördlich des Tors, wo sie identifiziert und entsorgt werden konnten.
Agun Soric hatte seine
Arbeitstruppe aus dem Flüchtlingslager in der Commercia hergeführt, nachdem die
Kämpfe zum Erliegen gekommen waren, um sie an der morbiden, aber notwendigen
Aufräumarbeit teilnehmen zu lassen.
Er wollte kämpfen. Gak, wenn er
an den tapferen Vervunwehroffizier dachte — wie hieß er noch gleich? Racine! Der
ihnen Gelegenheit gegeben hatte, ihre Fähigkeiten für die Vorbereitung der
Abwehrstellungen in die Waagschale zu werfen.
Er hatte Soric auf den
Geschmack gebracht. Hätten sie anständige Waffen gehabt, hätten Soric und seine
Leute an diesem Morgen an der Front gekämpft. Sollte Ferrozoica vor dem Zorn
der Arbeiter von Vervunschmelzhütte Eins zittern, wenn deren Blut einmal in Wallung
geriet!
Nach allem, was er von anderen
erfahren hatte — einige Fremdwelt-Gardisten, einige KolNord-Soldaten wusste Soric,
dass der Angriff der Zoicaner entgegen jeder Wahrscheinlichkeit
zurückgeschlagen worden war. Er hoffte Racine bald zu sehen, dem Mann auf die
Schulter zu klopfen und zu hören, ob und wie die Bemühungen seiner Männer,
stabile Verteidigungsstellungen anzulegen, dabei
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