Gaunts Geister - Band 1-3
Hintergassen Tanith Atticas Respekt verdient
hatte, wirbelte er herum, trat einem anderen Angreifer die Beine weg und
trennte eine messerschwingende Hand am Gelenk ab.
»Rawne! Rawne!«, brüllte er,
während er nach seinem Helmkom tastete. Er wurde von hinten getroffen. Benommen
kassierte er noch zwei Treffer und ging zu Boden. Füße traten ihn. Etwas, das
sich anfühlte wie weiß glühendes Eisen, bohrte sich in seine Brust.
Er brüllte vor Schmerzen und
Wut. Der Laut wurde durch die Blutfontäne in seinem Mund gedämpft.
Rawne schlug einen mit seinem
Stab nieder, während er auswich und parierte. Er verfluchte sie mit jedem
Schimpfwort in seinem Vokabular. Eine Klinge riss seine Uniformjacke auf und
fügte ihm eine lange, blutende Schnittwunde zu. Ein massiver Schlag traf ihn an
der Schläfe, und er ging zu Boden, während ihm schwarz vor Augen wurde.
Der Major versuchte sich zu
bewegen, aber sein Körper wollte nicht reagieren. Das kalte Gitter des
Korridorbodens grub sich in seine Wange und seinen schlaffen Mund. Feuchte
Wärme rann ihm über den Hals. Seine unfokussierten Augen starrten zu dem
massigen Patrizier empor, der vor ihm stand und einen langen Schraubenschlüssel
erhoben hatte, um ihm den Schädel einzu-schlagen.
»Zügeln Sie Ihr Temperament,
Brochuss!«, sagte eine Stimme.
Der Schraubenschlüssel wurde
widerstrebend gesenkt.
Der bewegungsunfähige Rawne
wünschte sich, er könnte mehr sehen. Eine weitere Gestalt verdrängte seinen
Angreifer mit dem Schraubenschlüssel. Rawnes Augen waren trübe und tränten. Er
wünschte, er hätte klarer sehen können. Der Mann, der sich über ihn beugte, sah
aus wie ein Offizier.
Oberst Flense hockte sich neben
Rawne und schaute traurig auf das Blut, das dessen Haare verklebte, und auf
seine verdrehten, schlaffen Gliedmaßen.
»Sehen Sie die Rangabzeichen,
Brochuss?«, sagte Flense. »Das ist der Major, Rawne. Töten Sie ihn nicht.
Zumindest noch nicht.«
10
»Woher kennen Sie ihn?«, wollte
Gaunt wissen.
Oberst Zoren zuckte in der
typisch unnachdrücklichen Körper-sprache der Vitrianer kaum merklich die
Achseln.
»Wahrscheinlich habe ich ihn so
kennengelernt wie Sie. Erst kam die Zufallsbegegnung, dann wurde ein gewisses
Maß Vertrauen aufgebaut, und schließlich kam es zu einer inoffiziellen
Arbeitsbeziehung während einer Krise.«
Gaunt rieb sich sein kantiges
Kinn und schüttelte den Kopf.
»Wenn dieses Gespräch
irgendwohin führen soll, müssen Sie schon ein wenig ins Detail gehen. Wenn
Ihnen die Ernsthaftigkeit der gegenwärtigen Lage tatsächlich bewusst ist,
werden Sie verstehen, warum ich mir der Männer um mich herum sehr sicher sein
muss.«
Zoren nickte. Er drehte sich
um, als wollte er den Raum begutachten, aber die Enge von Gaunts Kabine
gestattete wenig Betrachtung. »Es war in den Hungersnotkriegen auf Idolwilde
vor vielleicht drei Jahren. Meine Dragoner wurden als Friedenstruppe in den
größten Stadtstaat, Kenadie, geschickt. Das war kurz vor dem eigentlichen
Ausbruch der Lebensmittelkrawalle und vor dem Fall der örtlichen Regierung. Der
Mann, den Sie als Fereyd kennen, gab sich als einheimischer Getreidemakler
namens Bel Torthute aus, ein Handelsbankier mit einem Sitz im Senat von
Idolwilde. Seine Tarnung war perfekt. Ich hatte keine Ahnung, dass er ein Agent
war und kein Eingeborener des Planeten. Er beherrschte die Sprache, die
Bräuche, die Gesten ...«
»Ich weiß, wie Fereyd arbeitet.
Perfekte Beobachtung ist seine Spezialität, das und seine Tarnungen.«
»Dann werden Sie auch seinen
Modus operandi kennen. Mit dem zu arbeiten, was er das >vertrauenswürdige
Salz< des Imperiums nennt.«
Gaunt nickte, während sich
seine Lippen zu einem halben Lächeln verzogen.
»Um in derartiger Umgebung zu
arbeiten, so allein und so verwundbar, muss sich unser gemeinsamer Freund die
Unterstützung jener Elemente des Imperiums sichern, die er für nicht
korrumpiert hält. Wenn er Korruption und Makel in der Bürokratie des Imperiums
ausrotten will, kann er sich weder auf das Administratum noch auf das
Ministorum noch auf hochrangige Offiziere verlassen, die alle Teil der
konspiratorischen Infrastruktur sein könnten. Er hat mir gesagt, dass er unter
solchen Umständen seine besten Verbündeten schon immer in der Armee gefunden
hat, unter Männern, die zu Krisenpunkten beordert worden waren, einfache
Soldaten, für die derartige Ereignisse sehr wahrscheinlich Neuland waren und
die somit auch nicht
Weitere Kostenlose Bücher