GAYLÜSTE: erotische Geschichten (German Edition)
Er konnte froh sein, dass es nicht regnete, sondern nur ein wenig Feuchtigkeit in der Form von Nebel in der Luft lag. Hier, so nah an den Ufern der Themse, war es um diese späten Abendstunden nichts Ungewöhnliches. Der Nebel tauchte ganz London in dumpfes, trübes Licht, ausgestrahlt von den Gaslaternen, die gegen die Dunstschwaden ankämpften. Sie verloren jedes Mal. Regen hätte Davids Sicht weitaus schlimmer behindert und er wäre nur nass geworden. So reichte sein leichter Wollmantel, um ihn vor der nächtlichen Kälte zu schützen. Es war April, aber die Kälte der Nacht hätte gut zu einem Februar gepasst.
Der Gestank von tranigem Flussfisch und brackigem Wasser stieg ihm in die Nase. Warum diese Biester immer die schmutzigsten Gegenden Londons aufsuchten, war ihm ein Rätsel. Er hatte es satt, seine Nächte in den Hafenvierteln der Themsestadt zu verbringen. Das Warten war zermürbend. Früher hatte wenigstens die Jagd dafür gesorgt, dass das Adrenalin durch seine Adern schoss und er dafür gerne stundenlang in den Schatten lauerte. Doch nach zehn Jahren Lauern, Töten und keiner einzigen Niederlage, gab es keine Herausforderung mehr für ihn. David Calhoun langweilte sein Geschäft.
Er strich mit der Hand über seine Hüfte. Unter dem Wollstoff des Mantels bildete eine kleine Handarmbrust eine Beule. Andere unerfahrenere und jüngere Jäger schworen auf Musketen oder Pistolen. David aber wusste, dass nichts effektiver war als ein silber-ummantelter Stahlbolzen. Silberkugeln entfalteten oft nicht die Durchschlagskraft, die nötig war, um das dichte Fell und die dicke Haut dieser sabbernden Bestien zu durchdringen. Ganz anders ein Armbrustbolzen. Diese Waffe war direkt an Davids Bedürfnisse angepasst; sie war perfekt ausbalanciert, leicht auseinanderzubauen und besaß einen kleinen Zylinder, der an Miniaturstützen über der Einlegeschiene der Bolzen angebracht war. Auf Knopfdruck wurde sofort ein weiterer Bolzen eingelegt, sobald der erste die Sehne verlassen hatte. Dieses System hatte ihm mehr als einmal das Leben gerettet.
David lauschte. Er hörte etwas: ein Geräusch, das nicht zum Nieselregen, dem Plätschern des Flusses und dem Quieken der Ratten zwischen den Müllhaufen passte. Er machte nicht den Fehler aufzusehen und damit sein helles Gesicht einem eventuellen Gegner zu präsentieren. Stattdessen zog er den Kopf tiefer zwischen die Schultern und machte einen Schritt weiter in die Schatten. Er stand nun über dem Überhang einer der vielen Brücken Londons und verschmolz auf geübte Art und Weise mit der Dunkelheit. Langsam schloss er die Augen, um sich ganz auf seinen Gehörsinn konzentrieren zu können. Das Geräusch wiederholte sich, diesmal lauter. Es war ein leises Rascheln, von Fell gegen Stein. Der Geruch von nassem Tier wehte zu David herüber. Er spürte einen leisen Hauch der früheren Aufregung, als er den Mantel millimeterweise zur Seite zog und das Halfter der Miniaturarmbrust löste. Ihr Griff schmiegte sich bereitwillig in Davids Hand und er begrüßte das vertraute Gefühl. Es klickte nicht einmal, als er sie herauszog und auf das Ziel richtete.
In der Richtung, aus der das Geräusch gekommen war, bewegte sich etwas. Ein Schatten, dunkler als die um ihn herum. David hob den linken Arm auf Brusthöhe und winkelte ihn an. Die Armbrust legte er drauf, um seinen Schuss zu stützen. Nur eine weitere Bewegung, ein winziges Zucken, damit er ein besseres Ziel hatte!
David kniff die Augen weiter zusammen, um etwas durch die Dunkelheit sehen zu können und dann, endlich, tat sich etwas. Allerdings nicht vor ihm, sondern schräg hinter ihm! Er bemerkte den Angriff nur aus dem Augenwinkel, doch das war sein Glück. Noch während sein Angreifer auf ihn zusprang, drehte David sich ganz um. In der Drehung, mit der er sich aus der Reichweite seines Angreifers bringen wollte, erwischte ihn ein schwerer Körper und stieß ihn auf den Rücken. Scharfe Fänge rutschten durch seine Bewegung an seinem Mantel ab, aber der Wucht des Aufpralls konnte er nichts entgegensetzen. Der Geruch von nassem Raubtier stieg ihm überwältigend in die Nase und ein schwerer Körper presste ihn auf den Boden. David wand sich. Durch den Sturz hatte er seine Armbrust verloren; er sah sie im Halbdunkel einige Meter entfernt auf dem Boden liegen. Der Schuss hatte sich zum Glück nicht gelöst.
Sein Angreifer lag noch immer auf ihm und hielt ihn nur durch sein Gewicht auf den Boden gedrückt. David drehte den Kopf, um
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