GB84: Roman (German Edition)
WOCHE
Montag, 9. Juli – Sonntag, 15. Juli 1984
Christopher, Timothy und Louise wollten gerade in die Sommerferien aufbrechen. Theresa Winters fand, die Kinder sollten zu ihren Eltern nach Bath fahren, zumindest für ein paar Wochen. Terry wollte, dass Theresa mitfuhr. Theresa war darüber verletzt. Wie sollte sie ihm denn helfen, wenn sie auch nach Bath fuhr? Wie sollte sie da den Streik unterstützen, den Frauengruppen helfen? Fand er ihre Ausschnittsammlung aus den Zeitungen nicht gut, die Videomitschnitte, die sie von den Nachrichten machte? Wollte er nicht, dass sie die Wohlfahrtsgruppen unterstützte? Sollte sie denn nicht am kommenden Wochenende zu der Konferenz
Frauen gegen Zechenschließungen
am Northern College fahren?
Theresa hatte aufgehört, Pfanne und Bratrost zu putzen, und starrte mit nassen Händen ihren Mann an. Christopher, Timothy und Louise hatten das Frühstück unterbrochen und blickten ebenfalls mit offenen Mündern ihren Dad an. Terry sah auf die Zeitung. Er schob die Brille auf der Nase hoch. Sein Mund bewegte sich –
»Tut mir leid«, sagte er, stand auf und ging hinaus –
Terry ging zur Arbeit.
Den Großteil des Tages verbrachte er damit, eigenhändig vertrauliche Umschläge an die Finanzbeauftragten jedes einzelnen Exekutivkomitees in jedem einzelnen Bezirk auszuliefern. Die Umschläge enthielten ganz individuelle Anweisungen zu seinem neuesten Meisterwerk –
Seinem größten Geniestreich
–
Anweisungen, das gesamte Gehalt aller nicht gewählten Angestellten der Gewerkschaft (regional und national) für das Fiskaljahr 1984/85 sofort auszuzahlen. Anweisungen, die Einziehung der Mietpacht für alle Immobilien der Gewerkschaft (regional und national) für das Fiskaljahr 1984/85 auszusetzen. Anweisungen, Grundbucheinschreibungen und Titel an allen Immobilien im Besitz der Gewerkschaft (regional und national) für das Fiskaljahr 1984/85 an die Bewohner der Immobilien zu übertragen. Anweisungen, die Rückzahlungen von durch die Gewerkschaft (regional und national) geleisteten Krediten an Angestellte für das Fiskaljahr 1984/85 auszusetzen –
Jede einzelne Anweisung ein Geniestreich
–
Jede davon diente dazu, dass sich die Gewerkschaft ihrer Aktivposten auf nationaler und regionaler Ebene entledigte, um so einer möglichen Beschlagnahmung der Gelder zuvorzukommen und sich die Loyalität der Angestellten in diesen Zeiten größter Beschwernis zu sichern –
Die finstersten Zeiten sollten noch kommen
.
Nach nicht mal einer Stunde rief Clive Cook bei Terry an.
Klick-klick
. So wie immer. Das kannte Terry schon. Clive rief vom Telefon in seinem Büro in der Huddersfield Road an.
Klick-klick
. Clive benutzte keinen Code. So wie immer. Das kannte Terry schon –
So wie Bill Reed es gesagt hatte
.
Terry hörte sich Clives Fragen an. Dann erwiderte er: »Mach einfach, Clive, verdammt noch mal.«
Terry legte auf, stand neben dem Telefon, hob wieder ab –
Klick-klick
.
Er legte wieder auf, ging die Treppe hinunter und verließ das Haus. Er rief Diane von einer Telefonzelle am Bahnhof aus zurück. Es grauste ihn vor diesem Anruf, er war ihn schon zigmal im Kopf durchgegangen. Er wusste, es musste gesagt werden –
Es musste getan werden.
Terry hob den Hörer ab.
Klick-Klick
. Er wählte ihre Zimmernummer, hörte es klingeln –
Er hörte sie sagen: »Das ist alles aber schon ganz schön 007, Herr Geschäftsführer.«
»Es sind gefährliche Zeiten«, erwiderte Terry. »Wir können uns nicht mehr treffen.«
»Was?«
»Ich stehe unter Beobachtung. Ich werde verfolgt und abgehört.«
»Was wirst du …«
»Wenn sie das mit uns rauskriegen, könnten sie das gegen mich verwenden. Und gegen die Gewerkschaft.«
»Wovon redest du, Terry?«
»Man hat unsere Büros verwanzt«, erklärte er. »Unsere Häuser. Alle unsere Telefone …«
»Was um alles in der Welt hat das mit uns zu tun? Mit unserem Verhältnis?«
»Es kann so nicht weitergehen«, sagte Terry. »Wir können uns nicht mehr treffen. Es ist vorbei.«
Das sind die Stunden, von denen Neil wusste, dass sie kommen würden –
Die unergründlichen Stunden.
Er wird sich nicht irren, man soll ihn nicht verwirren, soll seine Botschaft entwirren
–
Der Jude liegt nackt auf dem Teppichboden in seiner Suite und brüllt: »Es gibt keine Krise!«
Er hält seinen Schwanz mit beiden Händen und zitiert Hayek –
»Die entscheidenden Wahrheiten«, flüstert der Jude. »Die entscheidenden Schlachten, Neil.«
Neil schleift den
Weitere Kostenlose Bücher