Gebrauchsanweisung für den Gardasee
Hafens von Desenzano. Und endete eine halbe Stunde später, so schnell kann das hier am Gardasee gehen, in einem Platzregen, der unablässig aus sich über dem Seebecken stauenden Gewitterwolken auf die Grotten des Catull herabstürzte.
Kurzum: Wer die einmalige Ansicht der römischen Ruinen im Lichte der Abendsonne und/oder die der tatsächlich reizenden Altstadtgassen von Sirmione nicht nur unbedingt, sondern auch ungestört genießen möchte, sollte es spätabends probieren, wenn sämtliche Tagesausflügler die Halbinsel wieder geräumt haben. Auch im späten November oder im frühen Februar soll man sich in Sirmione wohl fühlen können – jedenfalls unter der Woche. Im übrigen aber lautet unsere Gebrauchsanweisung für Sirmione schlicht: Vergessen Sie es! Was immer Catull zum Lobe des Gardasees gesagt hat – nirgends läßt es sich heute schwerer nachvollziehen als eben hier.
Und auch wenn Tausende von Italienern, vielleicht infolge der günstigen Anreisemöglichkeiten, das anders sehen: Für unsereinen hat sich die Verlockung, ausgerechnet am Südufer des Gardasees einen Zweitwohnsitz zu beziehen, 2000 Jahre nach Catull drastisch reduziert. Gewiß ist hier mehr Platz für solche Immobilien als irgendwo anders am See, weswegen sie auch, über Zeitungsannoncen wie übers Internet, haufenweise angeboten werden. Die am Gardasee heftig (wenn auch meist über italienische Unteragenten) mitmischenden deutschen Makler allerdings ziehen sich am Südufer mehr und mehr aus dem Geschäft mit den Zweitwohnungen zurück – sie wissen, ihre Kunden stellen sich für ihre Feriendomizile in der Regel ruhigere Umgebungen vor als den offenbar unaufhaltsam zum gigantischen Freizeit- und Shoppingpark zusammenwachsenden Uferverbund der Städte Peschiera, Sirmione und Desenzano.
Andererseits, so groß ist nicht einmal der große Gardasee, als daß sich gut 15.000 deutsche Zweitwohnungen und Ferienhäuser – so viele sind es mittlerweile – samt und sonders an einsamen oder wenigstens vom Massentourismus noch einigermaßen verschont gebliebenen Uferstellen unterbringen ließen. Die Lösung dieses Problems liegt nah: Immer mehr Zweitwohnungsaspiranten (und immer mehr Makler) suchten und suchen ihr Glück nun nicht mehr am, sondern über dem See, und das heißt in aller Regel: hoch über dem See. Denn die wenigen seenahen Hanggrundstücke am Ost- wie am Südufer sind ja seit Jahrzehnten, manchmal sogar (wie oberhalb von Gardone) bereits seit mehr als einem Jahrhundert flächendeckend zugebaut.
Andererseits, wer an den Gardasee zieht, will verständlicherweise auch etwas vom Gardasee haben. Nun kann man von dem alles mögliche haben, kann in ihm baden, auf ihm surfen und segeln, an seinen Ufern angeln; doch das beste, was der See zu bieten hat, ist und bleibt für die allermeisten Besucher sein mit allen Tages- und Jahreszeiten wechselndes, aber stets wunderschönes Aussehen. Seeblick! – diese Verheißung schlägt denn auch da, wo es um den Bau oder den Erwerb von Häusern und Wohnungen geht, alle anderen Kriterien aus dem Felde.
Ablesen läßt sich das ganz einfach an den Preisen für diese Objekte: Für Einfamilienhäuser mit Gardaseeblick müssen Interessenten zwischen 4500 und 8000 Euro pro Grundstücksquadratmeter hinblättern; ohne Seeblick sind sie schon ab 2000 Euro zu haben. Appartements mit Seeblick kosten mindestens 2800 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche, ohne mindestens 1800 Euro. (Alle Zahlen stammen aus dem Jahr 2004; die Preissteigerungsrate lag in den Jahren davor zwischen fünf und sieben Prozent, woran sich in absehbarer Zukunft kaum sehr viel ändern wird.)
Doch Vorsicht! Diese Zahlen stehen lediglich hier, um zu zeigen, wie drastisch sich der Hang zur Idylle, zum Seeblick in diesem Fall, auf die Finanzen der von der Seesucht Befallenen (oder Profitierenden) auswirkt. Eher begrenzten Wert indessen haben jene summarischen Preisangaben für diejenigen, die ernsthaft mit einem eigenen Zweitwohnsitz am Gardasee liebäugeln. Das hört sich doch nicht übel an, könnten die zum Beispiel denken: 3000 Euro für ein Appartement mit Seeblick, das macht für eine nette kleine 60-Quadratmeter-Wohnung 180000 Euro – nicht wenig, gewiß, aber doch unter Umständen finanzierbar.
Rein mathematisch läßt sich dagegen nichts vorbringen, außer vielleicht der Hinweis auf die mit einem Immobilienverkauf verbundenen Nebenkosten: die Maklergebühren betragen in Italien zwischen zwei und sechs Prozent der Kaufsumme, der Notar
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