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Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg

Titel: Gebrauchsanweisung für Potsdam und Brandenburg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Antje Rávic Strubel
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noch eine übrig. Das absolute Highlight war die weiße Schmelzglasur der Kacheln, die zu Weltruhm kam. Auch das ist eine Weile her.
    Aus Eberswalde kommt das Würstchen. Mit und ohne Darm. Gepökelt oder gekocht. Im Lakebeutel oder im Saitling. Die Ortsteile haben metallisch glänzende Namen: Eisenspalterei, Kupferhammer, Messingwerk.
    Sie sehen, die Ausgangslage ist oft etwas schwierig. Aber alle diese Kleinstädte geben sich große Mühe. Sie haben ihre Marktplätze mit klimaneutralen Glasfassaden verschönert oder überhaupt erst Marktplätze geschaffen, sie haben ökologisch vollwertige Spielplätze und Tempo-dreißig-Zonen angelegt, aus alten Klubhäusern der FDJ Kulturkaufhäuser oder Kinos mit angeschlossener Spieleecke und Billardsalon gemacht, und ganz sicher lobt jede dieser Kleinstädte die gute Anbindung nach Berlin. Seit das Land Brandenburg den Tourismus zu einer seiner wichtigsten Einnahmequellen erklärt hat, gibt es garantiert eine Parkanlage mit exotischen oder vom Aussterben bedrohten einheimischen Pflanzen und dem höchsten Leuchtturm Brandenburgs (Rathenow), eine freie Improvisationstheaterguppe, die vom Kulturministerium gefördert wird, eine Kunsthalle in einem ehemaligen Vierseitbauernhof (Luckenwalde), ein Funktechnikmuseum (Königs Wusterhausen), ein Ofenmuseum (Velten), ein Strand- oder Spaßbad, eine Wakeboard- und Wasserskianlage (Großbeeren), einen Montage-Eber neben echten Ebern (ein Kran und der beliebte Tierpark in Eberswalde). Es gibt alle Sehenswürdigkeiten der Region noch einmal in klein (Erlebnisminiaturen-Park Elsterwerda), es gibt die Lange Nacht der Optik (schon wieder Rathenow), die Lange Nacht der Nähmaschine (Wittenberge, muss noch erfunden werden), die Lange Nacht der Countrymusik (überall), die Lange Nacht der Kneipen oder die Lange Nacht des Offenen Ateliers. In der Niederlausitz hat man die Industrie zur Kultur erklärt: Auf der stillgelegten Förderbrücke »F 60« und in der Brikettfabrik »Louise« bieten ehemalige Kumpel touristische Führungen an.
    Manche Kleinstädte sind im Besitz einer Uferpromenade. Meistens ist sie nur ein paar Meter lang und hat nichts als einen Eiswagen zu bieten und den nur im Sommer. Aber der Uferstreifen wird so gelobt, dass der Malecón in Havanna oder die Promenade des Anglais in Nizza dagegen alt aussehen. Alle Kleinstädte besitzen ein Heimatmuseum. Meistens wurden die Heimatmuseen um einen Uniformjackenknopf herum gebaut, den einer der preußischen Regenten einst auf Durchreise verlor. (In der Niederlausitz gehörte selbiger Knopf August dem Starken.) Wer eine Wärmflasche ausstellen kann, die Napoleon benutzte, der gehört zur Museumselite, auch wenn sich der französische Monarch nur eine Nacht daran wärmte (Luckau).
Dörfer
    Die für Brandenburg typische Siedlungsform ist und bleibt das Dorf. Lassen Sie sich durch die Begriffe Kleinstädte oder Städtchen nicht irreführen. Ich habe diese Unterteilungen gemacht, um diejenigen unter Ihnen, die ein Interesse daran haben einzuwandern, nicht von vornherein zu verschrecken. Brandenburg braucht jeden von Ihnen. Wir brauchen auch die Menschen, die aus den überbevölkerten Regionen des Rhein-Ruhr-Gebiets, aus dem Großraum Regensburg, aus den reichen Ballungsräumen in Schwaben kommen. Da man dort aber unter Wald nur das Fleckchen Park versteht, das einen Stadtteil mit dem anderen Stadtteil eines Stadtteils verbindet, und Rehe und Wölfe nur aus Kinderbüchern, als Abziehbilder auf Autohecks oder aus der Wilhelma kennt, wäre es ungeschickt, sie durch die vorschnelle Einsicht zu verschrecken, sie kämen als zukünftige Brandenburger wirklich vom Dorf. Aber irgendwann musste sie gesagt werden, die Wahrheit. Und so schrecklich sie auch ist; die Auswahl, von welchem Dorf Sie künftig kommen wollen, ist riesig.
    Da wäre zunächst die Unterscheidung hinsichtlich des Genres. Ein Bauerndorf ist etwas völlig anderes als ein Gewerbedorf. Das Urlaubsdorf unterscheidet sich in seiner Geruhsamkeit eindeutig vom strengen Schlafdorf. Manchmal nennt sich ein Dorf auch Naturdorf oder Walddorf. Das heißt nur, dass die Straßen, die in so ein Naturdorf hineinführen, noch schlechter sind als sonst, und die Straßen, die aus dem Dorf hinauszuführen scheinen, in einem mit Regenwasser gefüllten Loch – dem Namen nach ein Forstweg – tief im Wald enden. Weil demzufolge nur wenige hinein und noch weniger wieder herausfinden, sind diese Dörfer meistens schön. Buchholz bei Fürstenberg

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