Gebrauchsanweisung für Südengland
zu betreiben war noch nie einfach gewesen. Doch nun war die Lage ernst, sehr ernst. Alan und Susan hatten beide mehrere Jobs, um wenigstens etwas Geld in die Kasse zu bringen. Susan leitete die Bibliothek in Porlock, und Alan managte von Juli bis Januar die drei Viehmärkte im Exmoor, Cutcombe, Blackmore Gate und South Molton. Mitten in der Nacht stand er auf, fuhr kilometerweit über sich endlos windende Landstraßen übers Exmoor, trotzte Nebel, Regen, Eis und Schnee, um rechtzeitig den Markt für die Bauern und ihr Vieh zu öffnen. Er kümmerte sich um alles, von Personalfragen bis hin zum eigenhändigen Säubern des Marktgeländes für den nächsten Markttag. Ein Knochenjob. »Nebenbei« versorgte er noch die eigene Farm, doch hatte diese mit nur 21 Hektar Land keine Überlebenschancen. Täglich verloren die Goodings mehr Geld.
Nach 18 Jahren Überlebenskampf schien das Ende der Farm unabwendbar. Alles Mögliche hatte sich Alan durch den Kopf gehen lassen, von der Kaninchen- bis zur Schneckenfarm. Selbst eine Go-Cart-Bahn hatte er in Erwägung gezogen – und wieder verworfen.
Im August 1997 schließlich schien der Verkauf die einzige Rettung. Jetzt war eh alles egal. Also packten Alan und Sue die Koffer und fuhren erst einmal nach Swanage an der Küste von Dorset in Urlaub. Mit wachsendem Interesse sah sich Alan dort die Restaurants an, die täglich bis auf den letzten Platz besetzt waren. Besonders beeindruckt war er vom ständigen Klingeln der Kasse. Langsam, aber sicher reifte in ihm die Überzeugung:
»Was die können, können wir schon lange. Und besser.«
Die Tatsache, daß weder er noch seine Frau restaurantgerecht kochen konnten, brachte ihn nicht für den Bruchteil einer Sekunde von dem einmal gewählten Weg ab. Zunächst mußte Alans Mutter ihre Wohnung räumen und das Farmhaus umgebaut werden – aber vor die erste Mahlzeit hatten etliche Ämter die Bürokratie gesetzt. Die Umwandlung des Betriebes mußte beantragt, Baugenehmigungen erteilt werden. Die Behörde des Exmoor National Parks, in dem Ranscombe Farm liegt, lehnte erst einmal ab. Die Anfahrt sei zu steil, die Straße zu eng und die Einfahrt in einer Kurve, und überhaupt, es gäbe viel zuviel Verkehr. Aber im Januar 1998 war es soweit: die nötigen Genehmigungen lagen vor, nun konnten EU- Subventionen und Fördermittel des britischen Landwirtschaftsministeriums angefragt werden. Im Dezember begannen schließlich die Umbauarbeiten, und im Mai 1999 knallten in Wootton Courtney die Sektkorken anläßlich der feierlichen Eröffnung von Ranscombe Farm Restaurant. Ein Jahr später wurde Alan von der örtlichen Presse als »Geschäftsmann des
Jahres« ausgezeichnet.
Auf seinem Hof tummeln sich immer noch 60 Schafe, drei Kühe und ein vietnamesisches Hängebauchschwein sowie jede Menge Federvieh, das Alan zur Freude der Restaurantbesucher und ihrer Kinder noch hält. Ansonsten ist er mit Leib und Seele Restaurantbetreiber. In schicker Weste agiert er souverän als Barmann, nimmt Bestellungen auf und berät in Weinfragen. Als hätte er noch nie in seinem Leben etwas anderes gemacht.
Ach ja, das Problem mit dem Kochen ist auch bestens gelöst: Chefkoch Keith Arnold agiert in einer Profiküche, die so manchem Hotel gut zu Gesicht stehen würde. Auf der Speisekarte stehen landestypische Gerichte wie Exmoor Venison Pie, Ragout von Rotwild aus dem Nationalpark. Die frische Zubereitung und die hohe Qualität zahlen sich aus: das Restaurant ist jeden Abend proppevoll, und Alan hört überhaupt nicht mehr auf zu strahlen.
Ein weiteres Beispiel für gelungene diversification ist die Coate Farm im Sedgemoor, die auf eine wechselvolle Geschichte zurückblickt. Nicht weit von der Gegend, in der
1685 die blutige Schlacht zwischen den Anhängern des Thronanwärters James Scott, Duke of Monmouth, und den Regierungstruppen tobte, findet sich heute ein Willow and Wetlands Visitor Centre: Ein kleines Museum informiert über den Anbau von Weide im Sedgemoor, einen der ältesten Wirtschaftszweige in Somerset, und die besondere Landschaftsform des Moors im Dunstkreis von Glastonbury, das auch The Levels of Somerset genannt wird und möglicherweise das mystische Avalon des König Artus ist. Besucher können sich über den Einsatz von Weide im Haushalt vergangener Jahrhunderte informieren, Korbmachern bei der Arbeit zuschauen und deren hochwertige Produkte käuflich erwerben. Natürlich darf ein Tea Room nicht fehlen. Angefangen hatte die Farm mit der Produktion
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