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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Fahrzeug. Natürlich völliger Humbug. Auf der Fahrt zum Jagdschloss hatte sie das nicht wahrgenommen, vermutlich wegen des Regens und der Dunkelheit.
    Es dauerte nur zwei Radiolieder, bis das Taxi stoppte. Sie erfuhr, weshalb Sebastian hatte vorn sitzen wollen. Mit einem Blick unterlag der Fahrer einem Fluch. Sebastian verwischte die Spuren, wobei sie hier wahrscheinlich trotzdem zu allererst nach ihnen suchen würden. Anna durchlief ein Schauder, als sie sah, wie leicht sich der Taxifahrer von ihrem Engel bezirzen ließ. Ob er mit ihrem Hirn auch schon rumgespielt hatte?
    »Anna?« Sebastian hielt ihr bereits die Tür auf.
    Sie wandte den Blick ab und kletterte aus dem Wagen. »Das war nicht besonders nett.«
    »Es wäre auch nicht nett, gleich die Polizei am Hintern kleben zu haben, weil wir kein Bargeld dabeihaben. Ich wollte hier möglichst unauffällig reinspazieren.« Er deutete auf ein gelb gestrichenes Gebäude mit vielen Etagen. Von außen erschien es wie ein großer Bürokomplex, aber irgendetwas sagte Anna, dass es drinnen nicht im Entferntesten danach aussah. Die Eingangsstufen waren aus Marmor und der goldene Handlauf wirkte echt. Einem ungeschulten Auge wären die Dinge vermutlich nicht aufgefallen, aber ja … So stellte sie sich persönlich das Hauptquartier des Beirats vor.
    »Bist du bereit?«, fragte er.
    Anna wollte ihn fragen, wozu sie bereit sein sollte, wie sein Plan aussah, aber sie kam nicht mehr dazu. Er packte ihre Hand und schleifte sie mit schnellen Schritten hinter sich her. Bevor er die Klinke der imposanten Tür hinunterdrückte, überschwemmte sie eine Welle aus Panik. Die Kälte fraß sich durch ihre Kleidung hindurch in ihren bereits zitternden Körper. Das Gefühl war ihr nur allzu vertraut, denn es schrie: Du bist dabei, einen gewaltigen Fehler zu machen.

35. Kapitel
    Blau und Schwarz
    S ebastian kannte den Ort in- und auswendig. Er hatte den Großteil seines Lebens hier verbracht, als eine Art ewige Geisel. Aber manchmal endete die Ewigkeit schneller, als man glaubte. Das äußerlich friedliche Erscheinungsbild hätte ihn niemals täuschen können. Er wusste, welche der vielen Türen zu den Kellerverliesen führte. Nie im Leben hätte er sich ausgemalt, dass sie auch Menschen hier versteckten. Die Folter, der man ihn täglich unterzogen hatte, schlich sich mit jedem Schritt weiter in sein Bewusstsein zurück. Erst die letzten Jahre hatte man ihn in Ruhe und einfach in der Zelle verrotten lassen.
    Die Schweine würden bluten. Für das, was sie ihm angetan hatten, und erst recht für das, was sie Anna antaten. Für ihre Scheinheiligkeit und ihren Betrug gegenüber den Menschen. Es tat gut, ein Ventil zu haben. Wenn er schon nicht gänzlich unterdrücken konnte, was er war, so konnte er zumindest Sorge dafür tragen, dass seine Aggressionen die Richtigen trafen.
    Anna stolperte hinter ihm her, er zog sie vorwärts. Ihre Fragen waren verklungen, ohne dass er ihr eine Antwort gegeben hatte. Aber er schaffte es nicht, auch nur ein Wort zu sprechen. Er fuhr mit der Zunge über die trockenen Lippen und schmeckte die Wut, die durch sein Blut schäumte. Die Lust nach Rache machte ihn stärker als jemals zuvor. Und das bedeutete etwas, denn schließlich war er ein Fingerless.
    Er hatte recht, als er ihr sagte, er sei gefährlich. Aber das Gefühl, sie beschützen zu müssen, machte aus der Gefahr, die von ihm ausging, einen unbeugsamen Gegner. Möglicherweise täte er besser daran, zu versuchen, solche Gefühle zu unterdrücken. Sie entfernten ihn von seiner Menschlichkeit. Aber in diesen Situationen brauchte er den Magier in sich mehr als jemals zuvor. Vielleicht war es sogar gut, dass Anna ihn begleitete. Er musste sich nicht um sie sorgen, denn es gab nichts, was sich seinem Schutz in den Weg stellen konnte. Jetzt nicht mehr.
    Sebastian zog sie schnurstracks auf die hintere Tür zu, die in den Keller des Gebäudes führte. Ein Jammer, dass sie hier keine Wachen aufgestellt hatten. Es wäre ein Willkommensgeschenk gewesen, jeden Einzelnen von ihnen zu töten.

    *
    Eine Veränderung ging mit Sebastian vor. Sein klammernder Griff verstärkte sich, seine Miene versteinerte und jede Faser seines Körpers spannte sich an. Die Panik, die Anna beim Betreten des Gebäudes verspürt hatte, nahm eine erschreckende Gestalt an. Sie fürchtete sich nicht davor, hier etwas anzutreffen, auf das sie nicht vorbereitet waren. Sie hatte plötzlich Angst vor ihm, ihrem Engel, ihrem Raubvogel. Die dunkle

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