Gefaehrlich begabt
Black Beauty wäre so viel passender.« Sie himmelte ihn mit schmachtendem Blick an.
Er küsste sie. »Los, auf.«
Anna sprang auf seinen Rücken. Seine Muskulatur spannte sich spürbar durch seine Jacke an, als sie auf seinem Rücken zu sitzen kam. Trotz der seltsamen Position fühlte es sich sicher an. Sie hatte beim Kampf gegen Kira gesehen, wie flink Sebastian sein konnte, aber es selbst zu erleben, berauschte sie. Der Vergleich mit den beiden Fernsehtieren lag gar nicht so fern, denn Sebastian lief schnell wie ein galoppierendes Pferd.
Der Wind blies ihr ins Gesicht, spielte mit ihrem Haar und ließ die Finger klamm werden. Sebastian bemerkte, dass sie fröstelte, und legte seine Hände schützend auf ihre. Plötzlich stolperte er über eine Wurzel und verlor beinahe das Gleichgewicht. Anna rutschte ein Stück nach vorn. Er blieb kurz stehen und sie nahmen sich eine Atemlänge Pause. Die Bäume über ihnen rauschten. In einigen Metern gingen die Laubbäume in Nadelbäume über. Sebastian schüttelte sich eine Haarsträhne aus der Stirn, bevor er weiterstürmte. Nach ewig langer Zeit, vielleicht einer Stunde, bremste er ab.
»Der Wald endet hier. Es wäre auffällig, wenn wir so weiterrasen. Vielleicht sollten wir ein Taxi nehmen?«
Sebastians Brustkorb hob und senkte sich schwer, er japste nach Luft. Schweißperlen rannen über sein erhitztes Gesicht und sein T-Shirt klebte an seinem Körper. Anna fühlte es durch die Jacke hindurch. Schnell sprang sie von seinem Rücken. »Geht’s dir gut?«
»Klar, aber renn du mal ’ne Stunde durch«, keuchte er.
Ich renne keine zehn Minuten und sehe schlimmer aus. »Machen wir fünf Minuten Pause«, antwortete sie.
Er nickte und schälte sich aus der Jacke. Als er auch noch sein T-Shirt über den Kopf zog, hielt sie die Luft an. Das letzte Mal, als sie ihn oben ohne gesehen hatte, war sie daraufhin benommen auf Marlas Terrasse gestolpert. Die Erinnerung an die sorglose Zeit zauberte ihr ein Lächeln auf die Lippen.
»Guck mich nicht so an.« Er grinste.
»Ich kann nicht wegsehen. Du bist, ich weiß nicht, ich kann’s nicht in Worte packen.«
»Dein«, sagte er.
»Dein?«
»Ich bin dein, ich gehöre dir. Nenn es, wie du willst.«
»Darf ich dich anfassen?«, fragte Anna und sah ihm in die Augen.
Er griff nach ihrer Hand und legte sie auf seine nass geschwitzte Brust.
»Himmel, wenn wir jetzt nicht die Welt retten müssten, würden mir hundert Dinge einfallen, die wir stattdessen tun könnten.«
»Müssen wir aber. Und in Schritt eins die Geiseln befreien, bevor der Beirat davon Wind kriegt, dass du durchgebrannt bist.«
Er schob ihre Hand von sich und schlüpfte zurück in sein Shirt. Er hatte sich genug abgekühlt, oder genug davon, dass sie ihn sabbernd anstarrte. Seine Nüchternheit war wichtig, denn eigentlich wusste Anna, dass ihnen die Zeit förmlich durch die Hände glitt. Auch wenn ihre Hormone etwas anderes sagten …
»Also?«
»Also, los.« Sie nickte.
Er nahm ihre Hand und sie betraten eine Straße. »Dort drüben ist ein Restaurant. Von da aus rufen wir ein Taxi.«
»Guter Plan«, antwortete Anna, froh darüber, dass sie überhaupt einen Plan verfolgten. Ohne ihn hätte sie es wohl nicht weiter als bis zur Eingangstür geschafft.
Gemeinsam marschierten sie vorwärts. Nach seiner atemberaubenden Geschwindigkeit fühlte sie sich fast wie eine Oma am Gehstock. Oder besser, wie eine Oma mit Beinprothese, Gehstock und Lungenentzündung.
Sie erreichten das kleine, italienische Restaurant. Woher kannte er sich so gut aus? Ihr fiel ein, dass er irgendwo in London gefangen gehalten worden war. Sie erinnerte sich an die Kampfbilder, die der Beirat gezeigt hatte. Seine Festnahme.
»War es schlimm in Gefangenschaft?« Ein sensibles Thema, aber sie sprach es trotzdem an.
»Ja, es war schlimm. Aber rückblickend betrachtet habe ich wohl einfach nur darauf gewartet, dass du geboren wirst.«
Sie lächelte ihn an, er sagte einfach immer das Richtige. Sie riefen schnell ein Taxi, und während sie auf dem Bordstein saßen, knetete Sebastian ihre Schultern. Keine drei Minuten später fuhr ein Wagen vor. Sebastian nannte die Adresse. Enttäuscht, dass er sich vorn beim Fahrer niedergelassen hatte, nagte Anna an ihrer Unterlippe und versuchte, die aufkommende Nervosität zu unterdrücken. Hoffentlich erwartete sie kein blaues Wunder.
Der Linksverkehr war gewöhnungsbedürftig und mehr als einmal rechnete sie mit einem Zusammenprall mit einem anderen
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