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Gefaehrlich begabt

Gefaehrlich begabt

Titel: Gefaehrlich begabt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simone Olmesdahl
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Fenster. Sollte sie an der nächsten Haltestelle besser aussteigen? Oder dem Fahrer mitteilen, dass sie bedroht wurde? Leider bog der Bus auf die Autobahn. Zum Teufel, was wollte er denn hier? Er fuhr nicht die übliche Route, Anna kannte die Strecke.
    Hilfe suchend blickte sie sich um. Sofort gefror ihr das Blut in den Adern. Die anderen Fahrgäste starrten mit leeren Augen stur nach vorn. Ihre Mienen wirkten ausdruckslos, die Gesichter leblos. So sah niemand aus, der Herr seiner Sinne war. Annas Erkenntnis kam schlagartig. Sie waren verflucht!
    Ihre Hirnzellen ratterten schwerfällig, zählten eins und eins zusammen. Sie erkannte, wer da neben ihr saß. Kira war eine Magierin, vermutlich eine Fingerless. Ein Schwindelgefühl befiel sie.
    Der Bus gab inzwischen alles, er überschritt die zugelassene Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.
    »Was willst du wirklich?«, brachte Anna hervor. Sie kannte die Antwort, ihr Verstand haute sie ihr kräftig um die Ohren. Aber sie durfte nicht stimmen, sie bedeutete ihren sicheren Tod.
    »Er scheint ein guter Schauspieler zu sein. Hollywoodreif, würde ich sagen. Oder du bist einfach nur extrem blöd.« Kira musterte sie, als schätzte sie es ab.
    »Können Sie bitte anhalten?«, rief Anna laut dem Fahrer zu. Aber die Hoffnung schwand, als sie seinen Blick im Spiegel auffing. Auch er stand unter einem Bann.
    »Ach, komm schon, Anna … gönn mir doch den Spaß. Ich hatte die letzten Wochen eindeutig zu wenig davon.«
    »Du willst uns entführen …« Annas Stimme bebte. Sie ließ den Blick durch den Bus schweifen und suchte nach einem Ausweg. Die Magierin lachte auf. »Entführen? Sei nicht albern. Weißt du, was einem am Busfahren so richtig Angst machen könnte? Man hört doch immer von diesen Horrorunfällen, in denen der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug verliert und alle Insassen sterben.«
    »Das kannst du nicht ernst meinen?« Anna starrte sie an. Sie wusste, dass die Magierin sie töten würde, aber alle Leute? Anna hörte ihr Herz gegen den Brustkorb schlagen, ihre Schläfen pochten ebenso laut.
    »Ist hier nicht irgendwo eine Baustelle, wo nur einspurig gefahren werden kann?«, fragte Kira und richtete sich auf, um besser durch die Scheibe sehen zu können.
    Anna schluchzte, als sie hinaussah. Ein Schild zeigte bereits an, dass sie in 800 Metern im Reißverschlussverfahren einfädeln mussten. Ihre Spur wurde wegen Brückenarbeiten eingezogen.
    »Hier sind ein Haufen unschuldiger Menschen an Bord«, sagte sie, aber es kam ihr vor, als hätte jemand anderes gesprochen.
    »Ach, du meinst die Leute hier? Die haben Spaß, sie zeigen es nur nicht. Warte, das haben wir gleich.« Kira wandte sich den Fahrgästen zu. »Können wir Anna zeigen, dass es uns gut geht?«
    »Ein Tag zum Sterben, heut ist’s gut, hia hia ho … Ein Tag zum Sterben, heut ist’s gut, hia hia ho …«
    Die fröhlichen Stimmen ließen die Worte des Liedtextes fast freundlich klingen, aber der Inhalt ließ sie losweinen. Warum saß sie in dem Bus? Wenn alle starben, trug sie die Schuld.
    Sie sprang auf und zwang sich mit einem Satz an der Magierin vorbei. Mit drei Schritten stand sie vor dem Busfahrer. Sie rasten auf das Reißverschlussverfahren zu, doch er machte bislang keine Anstalten, abzubremsen. Anna versuchte, ihm ins Lenkrad zu greifen, und erntete eine schallende Ohrfeige. Die Wucht des Schlages riss sie zurück, sie taumelte gegen eine Haltestange. Ihre Knie gaben nach. Es gab keine Hoffnung.
    »Bye bye, Anna. Sebastian hätte es gern getan, jetzt, wo er diesen Empathenmist los ist. Aber sein Vater hat darauf bestanden, dass es die Königin des Todes«, sie lächelte über ihren Titel, »selbst tut. Er lässt dich aber grüßen und auch dein Tantchen.«
    Mit einem Augenzwinkern verabschiedete sich Kira. Sie löste sich einfach in Luft auf.
    Annas Kopf dröhnte, ihr platzte fast der Schädel. Sie rappelte sich auf. Das Reißverschlussverfahren lag wenige Meter vor ihnen, noch immer drückte der Fahrer aufs Gas. Sie spähte durch die Scheibe, aber es kam ihr vor, als blickte sie durch einen langen Tunnel. Einige Autos hupten bereits oder gaben ihnen Lichtsignale. Anna sprang zum Fenster. Mist! Die Nothämmer hingen nicht an ihren Plätzen. Sie tastete die Scheibe ab, fluchte und versuchte, mit bloßen Händen die Scheibe einzuschlagen. Das Glas gab nicht nach. Wie wild hämmerte sie gegen die Glasfront.
    »Halten Sie an«, rief sie, aber der unheimliche Gesang übertönte ihre Stimme. Von

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