Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
runter. Eigentlich will ich meine Mutter nicht fragen, warum sie nun plötzlich ausziehen will. Und wohin. Ich würde ihr nämlich gern das Gefühl geben, dass es mich nicht interessiert. Aber dann frage ich doch. Insbesondere da ich keine Lust auf ein Mutter-Tochter-Gespräch habe, in dem es um die vergangenen Tage, meinen Abgang aus Schloss Maigritte und um meinen angeblichen Vater geht.
„ Antoine und ich ziehen zusammen.“ Sie strahlt mich regelrecht an.
Vor Schreck fällt mir die Tasse aus den Händen und kullert über den Holztisch. Im letzten Augenblick bekomme ich sie zu fassen. „Nachdem ihr vierundzwanzig Jahre lang keinen Kontakt hattet – und davor auch nur verhältnismäßig kurz miteinander verkehrt seid – muss da in der Pampa ja richtig die Post abgegangen sein.“
Ich habe Schnappatmung.
Mutter nippt ziemlich ausgiebig an ihrem Milchcafé. Und dann räuspert sie sich. „Wer sagt denn, dass wir keinen Kontakt hatten?“
Beinahe wäre mir die Tasse ein zweites Mal aus den Händen gefallen.
„Mach’ mal nicht so große Augen, Jade.“ Meine Mutter demonstriert mir mit ihren eigenen Augen wie ich wohl momentan gucke. Und dann erzählt sie mir, dass sie und Antoine sich schon immer geliebt haben, dass er mit einer psychisch kranken Frau verheiratet war, die er nicht im Stich lassen konnte und wollte. Und dass sie den Kontakt zwischen ihm und mir verhindert hat, weil sie mir keinen solchen Vater zumuten wollte.
„Und du glaubst, dass kein Vater besser wäre als ein verheirateter Verbrecher?“
„Du etwa nicht?“
Ich seufze. Wo sie recht hat, hat sie recht. Trotzdem. Ich will gerade zu einem Vortrag über das Wohl eines Kindes ansetzen, als Mutter zum Küchenfenster zeigt.
„Was will Pierre hier?“
„Ich erwarte ein Päckchen.“ Ich knalle die Tasse auf den Tisch und springe auf, um zur Haustür zu laufen. Meine Güte, das ging aber schnell. Gestern bestellt und schon heute wird geliefert.
Aber Mutter öffnet der Einfachheit halber das Küchenfenster.
„ Bonjour, Pierre. Was hast du denn da Schönes für uns?“ Sie streckt bereits ihre Hand nach dem kleinen Paket aus, das der Postbote anschleppt.
„ Bonjour, Aurore“, erwidert Pierre, dessen versoffene Stimme sich wohl in seinem ganzen Leben nicht mehr von seinen allabendlichen Kneipptouren in die einzige Bar des Dorfes erholen wird. „Das Päckchen ist für deine arme Tochter. Eine Schande ist das. Meine Frau kauft keine Blumen mehr bei Clément. Vorläufig. Der Absender des Päckchens ist übrigens ein Institut in Paris.“
Ich spurte ans Fenster und reiße Pierre das braune Päckchen aus der Hand. „Danke, Pierre.“
„Bitte. Bei den Duvals habe ich auch schon mal so etwas abgeliefert. Aber die haben ja auch sechs Kinder.“
Mein Mutter lacht lauthals.
„Du hast doch nicht etwa einen Vaterschaftstest bestellt?“, fragte sie mich, bevor sie sich wieder an Pierre wendet, der auf eine Antwort wartet: „Du kennst das Ergebnis. Salut, Pierre. Grüß’ Evelyne schön von mir.“
„Mach’ ich gern. Salut, Aurore.“ Der Postbote dampft breit grinsend ab. Ich würde tausend Euro wetten, dass er seine Frau nicht von meiner Mutter grüßt. Bevor er nach Hause geht, kommt er nämlich noch zwei Mal an der Dorfbar vorbei.
„Kann es sein, Mama“, frage ich, während ich das Päckchen aufreiße und Mutter das Fenster wieder schließt, „dass im Dorf jeder weiß, wer mein Vater ist?“
Meine Mutter tritt neben mich und grabscht nach der Anleitung, in der genauestens steht, wie ich die Haare meines Vaters und meine eigenen einzupacken habe. Und dass für ein zuverlässiges Testergebnis ausschließlich frische Haare mit Wurzel nötig sind.
„Den Test kannst du dir sparen. Antoine ist dein Vater. Er war der erste Mann, mit dem ich geschlafen habe.“
„Aber war er auch der letzte?“
„Das kannst du wohl laut sagen“, behauptet sie.
Womit habe ich das nur verdient?
„Er war und ist der einzige Mann für mich, Jade.“
Ich starre auf die Frischhaltedosen, Beschriftungsetiketten und den übrigen Kleinkram in dem Vaterschaftstestpaket. „Willst du mir weismachen, dass du nur einen einzigen Mann in deinem Leben hattest, Mama?“
„Ich weiß schon, was du mir damit sagen willst“, grummelt sie mehr oder weniger vor sich hin. „Aber ich wollte nicht, dass es dir wie mir ergeht und du dich dem ersten Besten an den Hals wirfst. Womöglich noch mit nicht rückgängig zu machenden Folgen. Das wäre das Ende deiner
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