Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
warten bis sie aufgerufen werden“, erklärt mir die Dame an der Information, nachdem sie verstanden hat, dass ich eine brotlose Kunst studiert habe und dringend Geld brauche.
Also laufe ich das nach feuchtem Papier riechende Treppenhaus hinauf, ziehe die Nummer 68 und warte ganze zwei Minuten in einem so gut wie leeren Wartesaal. Als ich mich auf den grauen Schalenstuhl setzte, war die höchste Nummer auf dem großen Display die 66. Binnen kürzester Zeit taucht meine 68 auf und schon befinde ich mich auf dem Weg in das Büro mit der Nummer 207.
Ich weiß gar nicht, was sie alle auf die französischen Behörden schimpfen. Funktioniert doch wie am Schnürchen.
Der Sachbearbeiter sieht allerdings gar nicht auf, als ich das Büro freundlichst grüßend betrete. Monsieur Placibon, wie ich dem kleinen Schildchen entnehme, das vor ihm steht, brummelt irgendwas in seinen Bart, vermutlich „Bonjour“. Dann weist er auf das graue Schalenstuhlpaar vor seinem freundlich hellen Fichtenholzschreibtisch, immer noch ohne aufzusehen, und anschließend auf das Formular, das auf dem Tisch vor mir liegt, nachdem ich mich gesetzt habe.
Von diesem Büro aus kann man durch die sperrangelweit geöffneten Türen in die angrenzenden Büros sehen.
„Ausfüllen“, sagt mein Sachbearbeiter und weist auch noch blind auf einen angeketteten Kugelschreiber, der in einer rostroten Halbkugel steckt.
Meine Mutter hätte an dieser Art der Kommunikation sicher Gefallen gefunden. Mich deprimiert solch menschenverachtendes Verhalten. Doch nachdem ich den Wisch wahrheitsgemäß ausgefüllt habe (ich kann nichts außer Drehbücher schreiben und habe keinerlei Berufserfahrung, habe ich notiert) kommt Leben in Monsieur.
„Das wird schwer“, murmelt er und gibt alles, was ich auf dem Formular notiert habe, in seinen Computer ein.
Monsieur Placibon in dem grau-karierten Hemd wird sicher auch niemals eine Hauptrolle in einem meiner zukünftigen Liebesfilme erhalten, denke ich, als er mich endlich wahrnimmt.
„Was haben Sie sich denn vorgestellt, Mademoiselle Dechamps, womit Sie der Gesellschaft dienen könnten?“, fragt er. Dabei sind weder sein Gesicht, noch sein Tonfall unfreundlich oder gar abwertend. Er guckt und klingt einfach nur so grau wie sein kariertes Hemd.
„Ich tue einfach alles“, entgegne ich Freude strahlend.
„Dann kommen Sie doch in einer Woche wieder her. Vielleicht bekomme ich bis dahin etwas rein, das auf Ihr Profil passt“, meint er. „Salut, Mademoiselle.“
Wie bitte? Was ist denn jetzt los?
„Ich dachte, ich bekäme heute schon ein Jobangebot“, sage ich entgeistert. „Ich kann nicht warten. Womöglich hat sich die Situation bis zur nächsten Woche nicht geändert und dann heißt es noch eine Woche und noch eine Woche ...“
„ Mademoiselle“, stöhnt Monsieur Placibon. „Frankreich steckt in der Wirtschaftskrise. Sie sind nicht die einzige, die einen Job sucht. Hätten Sie Informatik studiert oder irgendwas mit Altenpflege, dann hätte ich was für Sie. Es ist schließlich nicht meine Schuld, dass Sie unbedingt ... äh ... Drehbuch studieren mussten.“
„ Sebastian?“, ruft plötzlich die Sachbearbeiterin aus dem Büro rechts.
„Ja?“
„Drehbuch hat doch was mit Schreiben zu tun. Frag’ sie mal, ob sie das 10-Finger-System beherrscht und mit Computern umgehen kann.“
Monsieur Placibon sieht mich fragend an.
„Und wie“, sage ich. Schließlich benutze ich alle meine Finger beim Drehbuchschreiben. Und einen Computer.
„Sie sagt: Ja“, ruft Monsieur Placibon seiner Kollegin zu.
Im nächsten Moment rattert es im Nebenraum und kurz darauf tritt eine Frau mittleren Alters an Monsieur Placibons Schreibtisch und drückt ihm einen gräulichen Zettel in die Hand. Mir nickt sie aufmunternd zu, bevor sie erklärt, dass sie das Angebot seit Wochen im Computer hat, aber niemanden für die Stelle findet. Ich hätte also gute Chancen. Nur flexibel müsste ich sein.
„Wie flexibel?“, frage ich mit dem freundlichsten Lächeln der Welt und bereit, so flexibel zu sein wie ein Gummiband.
„Der Job ist in Paris. “ Die Dame und Monsieur Placibon sehen mir gleichzeitig forschend in die Augen.
„Das ist überhaupt gar kein Problem“, behaupte ich. „Eine Wohnung werde ich schon finden.“
„Moment“, meint die Dame und schnappt sich Monsieur Placibons Telefonhörer. Wieder nickt sie mir aufmunternd zu. „Jedes Kind weiß, dass man in Paris nicht einfach eine Wohnung findet. Schon gar keine,
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