Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
Lunchpaket in die Hand und treibt mich wieder zurück in den Aufzug. „Die Leute wirst du noch kennenlernen. Sie sind alle sehr nett. Für’s erste solltest du es aber langsam angehen lassen. Jetzt fahren wir in die Rue Mayoc. Ich würde dir dringend raten mitzukommen. Nur für den Fall, dass dir der Job im Hotel nicht zusagt. Dann könntest du immer noch für Claude arbeiten, den Designer.“
Das hat diese Mel aber schön ausgedrückt. Sieht ganz so aus, als würde sie mir den Job als Englisch-Trainerin ebenso wenig zutrauen wie ich selbst glaube, dass ich dafür geschaffen bin. Das fängt ja super an. Eigentlich bin ich vollkommen geschafft. Noch von letzter Nacht, von dem heutigen Tag und dann von dieser Mel und dem Tempo, in dem sie mich durch das Hotel hetzt (und jetzt auch noch hinaus), aber ich fürchte, sie hat recht. Es ist besser, wenn ich so viele Eisen im Feuer habe wie nur möglich. Mit einem Job wird es dann wohl hoffentlich klappen, denn eins will ich garantiert nicht: Zurück zu Mami.
Also begleite ich diese Mel , die mir unterwegs erklärt, dass sie meine Vorgesetzte sei und den Sprachunterricht für die Hotelangestellten organisiert und durchführt. Erst heute Nachmittag sei sie befördert worden.
„Die Abteilung besteht übrigens nur aus dir und mir“, lacht sie. „Du musst mir also verzeihen, wenn ich noch nicht so genau weiß, wie sich eine Vorgesetzte in Frankreich benimmt.“
„Kein Problem“, lächele ich zurück. „Das hier ist mein erster Job.“
„Na, dann sind wir sicher ein gutes Team“, freut sie sich und hakt sich freundschaftlich bei mir ein.
Wie ich gleich darauf merke, war diese Maßnahme weniger unserer Freundschaft als vielmehr dem Tempo geschuldet, das sie gleich darauf anschlägt, denn ich bin ihr zu langsam. Aber als Amerikanerin drückt sie das natürlich nicht so brutal aus und führt mich lieber ganz brutal zur Metro. Während zweier Atemzüge hoffe ich, dass ich nicht vom Regen in die Traufe geraten bin, aber dann schiebe ich den Gedanken beiseite und murmele in meinem Kopf ein lautloses Mantra: Ich stehe auf eigenen Beinen. Ich stehe auf eigenen ...
So viele Kilometer wie in den letzten vier Tagen habe ich mein ganzes Leben nicht zurückgelegt. Als ich mit meiner neuen Kollegin in die Metro steige, muss ich kurz an mein Handy denken und an den Kommissar, der inzwischen bemerkt haben dürfte, dass das rote Samsung mal wieder allein d urch die Stadt der Liebe reist. Der Gedanke berührt mich allerdings herzlich wenig. Ich bin froh, dass ich so gehandelt habe, doch die Sache mit dem Kommissar scheint Lichtjahre entfernt zu sein, obwohl sie kaum mehr als zwei Stunden hinter mir liegt.
„Wie die meisten Designer, die ich kenne, ist Claude schwul“, verrät mir Mel. „Ich weiß ja nicht, ob du viele Schwule kennst?“ Die große, orangehaarige Schöne sieht mich freundlich fragend an.
Ich schüttele den Kopf. „Ich bin in demselben Dorf aufgewachsen, in dem ich geboren wurde. Dort würde sich kein Mensch outen.“
„Aber du hast in Paris studiert“, weiß sie.
„Morgens bin ich zur Filmhochschule gefahren, abends war ich wieder in Monthomé. Nur ganz selten bin ich übers Wochenende bei Studienkollegen geblieben.“
„Na, macht ja nichts“, meint Mel und zwinkert mir zu. „Ich bin auch ein geborenes Landei. Mach’ dir deswegen keinen Kopf. Behandele Claude einfach wie einen ganz normalen Menschen. Er ist extrem tuntig und total durchgeknallt, aber er entwirft die tollsten Hochzeitskleider von ganz Frankreich und er ist eine Seele von Mensch. Du wirst ihn mögen. Alle lieben Claude. In gewisser Weise bist du ja selbst eine Künstlerin. Nur dass deine Drehbücher noch nicht verfilmt wurden, stimmt’s?“
Dankbar lächele ich sie an und verrate ihr, dass ich erst an meinem ersten Liebesfilm arbeite. „Wie bist du zum Modeln gekommen?“
„Ich?“ Sie streicht sich wieder die Haare aus dem Gesicht. Das macht sie dauernd. „Wie die Jungfrau zum Kind. Diese Geschichte erzähle ich dir ein anderes Mal. Wir müssen raus aus der Metro. Komm. Und dann müssen wir uns sputen, da wir in zwei Minuten erwartet werden.“
Ich wüsste nicht, wann ich innerhalb der letzten halben Stunde auch nur einmal dazu gekommen wäre, in Ruhe Luft zu holen. Aber egal. Was tut man nicht alles für einen Job und für die Selbstbestimmung. Dann hechele ich halt weiter neben Mel her, die sich wieder bei mir eingehakt hat und mich dennoch weiter antreibt: „Wir sind da,
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