Gefaehrlich verliebt in Mona Lisa 2
schon zum Mittagsessen Wein trinken, ist ja nun hinlänglich bekannt. Ich habe jedenfalls keine Lust, schon an meinem allerersten Arbeitstag auf den Nutzen einer Entzugsklinik hingewiesen zu werden.
„ Gabriel hat mich in einer SMS gefragt, wie es dir geht“, sagt Mel, als wir den wirklich absolut genialen Salade Nicoise essen.
Da ich heute noch keine Gelegenheit hatte, über Gabriel nachzudenken, sage ich nur „Aha“.
„Deiner Reaktion entnehme ich, dass Gabriel dir egal ist“, schlussfolgert Mel.
Ich schiebe mir eine grüne Bohne, die ausgiebig in Knoblauchöl gebadet hat, zwischen die Zähne und zucke mit den Schultern. Soll ich einer zwar zweifachen Kollegin, die mir zwar den Modeljob verschafft hat, aber die ich dennoch erst seit ungefähr vierundzwanzig Stunden kenne, erzählen, dass der Typ mir und meiner Mutter und dann noch einmal mir allein nachspioniert hat? So weit sind wir noch nicht.
„Ich weiß, dass er und Mathis dich entführt haben“, grinst Mel.
Jetzt fällt mir aber die Gabel aus der Hand. Das Messer lege ich gleich dazu. Ehrlich gesagt ist mir der Appetit vergangen.
„Was weißt du denn sonst noch?“, schnappatme ich.
„Warum sie es getan haben. Und ich weiß, dass du den Grund nicht kennst.“ Mels Grinsen wird immer breiter. Als ob eine Entführung ein einziger Spaß wäre, eine Alltäglichkeit und Thema für ein lustiges Tischgespräch unter Kolleginnen.
„Und? Warum haben sie es getan?“
„Du brauchst mich gar nicht so giftig anzugucken“, sagt Mel freundlich. „Ich weiß es nicht von den beiden Kerlen, sondern aus der Zeitung. Nur dass du den Grund für die Entführung nicht kennst, das weiß ich von Gabriel. In der Zeitung steht nämlich was ganz anderes.“
Ich bemerke erst, dass ich mit offenem Mund nach Luft schnappe, als meine Zunge und mein Hals knochentrocken sind. Da kippe ich das restliche Wasser in mich rein und stürze mich auf den Zeitungsständer, der in der Ecke der Bar steht. Gleich auf der ersten Zeitung entdecke ich das Foto, auf dem zwei schwarz gekleidete und maskierte Männer eine Mumie aus dem Four Seasons Hotel schleppen.
Mir schießt das Blut in den Kopf, und in meinem Bauch und in meinem Nacken kribbelt es höchst unangenehm. Das bin ich. Und die beiden Kerle sind Mathis und sein Kumpel Gabriel.
Ich reiße die Zeitung vom Ständer und setze mich damit an den Tisch zurück. Die Buchstaben zittern vor meinen Augen, als ich den zum Bild gehörigen Artikel lese.
Le Monde, 9. Dezember 2013
Geheimnis um die Vermietung der Mona Lisa gelüftet
Kunstliebhaber aus aller Welt können aufatmen. Das Rätsel um den geheimnisvollen Einbruch in die Wohnung eines Scheichs der vergangenen Woche , bei dem die echte, vermietete Mona Lisa geraubt wurde, ist gelöst. Das ganze Spektaktel war nichts weiter als ein Coup der beiden Mega-Künstler Gabriel Riboult und Mathis Giraud.
Was klang wie ein Witz, war ein Witz. Der für seine Lichtinstallationen weltbekannte Aktionskünstler Gabriel Riboult, sowie sein als Goldmaler bekannter Freund Mathis Giraud, inszenierten den Einbruch in die Rue Galilée. Der Einbruch geschah in Absprache mit dem Besitzer der Wohnung, der tatsächlich ein Scheich ist. Das ist aber auch schon der einzige wahre Punkt in der Geschichte.
„Der Einbruch“ dagegen ist Teil einer Reihe spektakulärer Inszenierungen der beiden Künstler, die sich zur Zeit mit dem Thema „Täuschungen“ befassen. In diese Reihe gehört ebenfalls die Entführung der im Titelfoto zu sehenden als Mumie verkleideten jungen Frau. Die Entführung sollte die Pariser Bevölkerung ebenso in Schrecken versetzen wie der Raub der angeblich vom Louvre vermieteten Mona Lisa.
Doch daraus wurde nichts, da unser Reporter die zuverlässige Quelle als Mittelsmann der beiden Künstler enttarnte. Damit dürfte eine vermutlich sehr wirkungsvolle Marketingmaßnahme der beiden Künstler vorzeitig beendet sein.
Wie Riboult und Giraud gestern Nacht auf der großen Dezember-Modenschau des Pariser Brautkleid-Designers Claude auf Schloss Maigret bekannt gaben, haben sie die für den Polizeieinsatz entstandenen Kosten bereits auf das Konto eines Kinderheims überwiesen.
„Wir haben die Behörden rechtzeitig über unsere Aktion informiert“, so der Aktionskünstler Gabriel Riboult, „doch man hat uns anscheinend nicht ernst genommen und daraus einen echten Fall konstruiert.“
Sein Freund und Kollege Mathis Giraud äußerte sich so: „Ich möchte den Namen des
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