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Gefaehrliche Liebe

Gefaehrliche Liebe

Titel: Gefaehrliche Liebe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Suzanne Collins
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Jemand mit bedingungslosem Mut, und ich arbeite immer noch daran, überhaupt Mut aufzubringen. Jemand mit klaren, schlagkräftigen Worten, und ich bringe so oft keinen Ton heraus.
    Worte. Ich denke an Worte und ich denke an Peeta. Daran, dass die Leute immer alles begeistert aufnehmen, was er sagt. Er könnte eine Menschenmenge mobilisieren, wenn er wollte. Er würde die richtigen Worte finden. Aber diese Idee ist ihm bestimmt noch nie gekommen.
    Ich gehe nach unten, wo meine Mutter und Prim Gale pflegen, der immer noch schwach ist. Er sieht so aus, als ob die Wirkung der Arznei nachlässt. Ich mache mich auf einen weiteren Streit gefasst, versuche jedoch, ruhig zu sprechen. »Kannst du ihm nicht noch eine Spritze geben?«
    »Das mache ich, wenn es nötig ist. Wir wollten es erst mit Schneebalsam versuchen«, sagt meine Mutter. Sie hat die Verbände abgenommen. Man kann förmlich sehen, wie die Hitze von seinem Rücken abstrahlt. Sie legt ein sauberes Tuch über sein wundes Fleisch und nickt Prim zu.
    Prim kommt zu ihr und rührt etwas in einer großen Schüssel, das aussieht wie Schnee. Doch es ist hellgrün und hat einen süßen, sauberen Duft. Schneebalsam. Behutsam gibt sie etwas davon auf das Tuch. Fast kann ich hören, wie Gales geschundene Haut zischt, als sie mit der Schneemischung in Berührung kommt. Seine Augen öffnen sich flatternd, verdutzt, dann seufzt er erleichtert.
    »Ein Glück, dass wir Schnee haben«, sagt meine Mutter.
    Ich stelle mir vor, wie es sein muss, sich im Hochsommer von Peitschenschlägen zu erholen, bei sengender Hitze, mit lauwarmem Leitungswasser. »Wie hast du das in den warmen Monaten gemacht?«, frage ich.
    Eine Falte erscheint zwischen den Augenbrauen meiner Mutter. »Da hab ich die Fliegen verscheucht.«
    Bei der Vorstellung dreht sich mir der Magen um. Sie füllt Schneebalsam in ein Taschentuch und ich halte es an den Striemen auf meiner Wange. Sofort legt sich der Schmerz. Es ist der kalte Schnee, ja. Doch auch die Kräutersäfte, die meine Mutter hinzugefügt hat, wirken betäubend. »Oh. Das tut gut. Warum hast du ihm das nicht gestern Abend schon gegeben?«
    »Die Wunde musste sich erst setzen«, sagt sie.
    Ich verstehe nicht ganz, was das bedeutet, aber solange es funktioniert, wie kann ich sie da infrage stellen? Sie weiß schon, was sie tut, meine Mutter. Plötzlich habe ich Gewissensbisse wegen gestern, wegen der schrecklichen Sachen, die ich ihr an den Kopf geworfen habe, als Peeta und Haymitch mich aus der Küche gezerrt haben. »Es tut mir leid. Dass ich dich gestern so angeschrien habe.«
    »Ich hab schon Schlimmeres gehört«, sagt sie. »Du hast ja gesehen, wie die Leute sind, wenn jemand Schmerzen leidet, den sie lieben.«
    Jemand, den sie lieben. Die Worte betäuben meine Zunge, als wäre sie in Schneebalsam eingewickelt worden. Natürlich, ich liebe Gale. Aber was für eine Art Liebe meint sie? Was meine
ich,
wenn ich sage, dass ich Gale liebe? Ich weiß es nicht. Letzte Nacht habe ich ihn geküsst, in einem Moment, als meine Gefühle sich überschlugen. Aber bestimmt weiß er das nicht mehr. Oder? Hoffentlich nicht. Wenn doch, würde das alles nur noch komplizierter machen, und ich kann wirklich nicht ans Küssen denken, wenn ich eine Rebellion anzetteln soll. Ich schüttele den Kopf ein wenig, um klarer denken zu können. »Wo ist Peeta?«, frage ich.
    »Als wir hörten, dass du aufwachst, ist er nach Hause gegangen. Er wollte sein Haus während des Sturms nicht unbeaufsichtigt lassen«, sagt meine Mutter.
    »Ist er gut nach Hause gekommen?«, frage ich. Bei einem solchen Schneesturm kann man sich auf wenigen Metern verirren und im Nichts landen.
    »Ruf ihn doch an, dann weißt du's«, sagt sie.
    Ich gehe ins Arbeitszimmer, das ich seit der Begegnung mit Präsident Snow weitgehend gemieden habe, und wähle Peetas Nummer. Es klingelt ein paarmal, dann geht er dran.
    »Hi. Ich wollte nur wissen, ob du gut nach Hause gekommen bist«, sage ich.
    »Katniss, ich wohne drei Häuser von dir entfernt«, sagt er.
    »Ich weiß, aber bei dem Wetter ...«, sage ich.
    »Also, es geht mir gut. Danke der Nachfrage.« Es folgt eine lange Pause. »Wie geht es Gale?«
    »Ganz gut. Meine Mutter und Prim behandeln ihn gerade mit Schneebalsam«, sage ich.
    »Und dein Gesicht?«, fragt er.
    »Ich hab auch ein bisschen abgekriegt«, antworte ich. »Hast du Haymitch heute schon gesehen?«
    »Ich war bei ihm. Er war sturzbetrunken. Aber ich hab Feuer gemacht und ihm etwas Brot

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