Gefaehrliche Tiefen
nicht richtig erkennen. Seiner Geschwindigkeit nach zu urteilen, musste es einen leistungsstarken Motor haben.
Eduardo nahm ihnen die Druckluftflaschen ab und half ihnen, sich bäuchlings auf das aufblasbare Boot zu ziehen. Sobald Dan an Bord war, fragte er Eduardo: »Wieso hast du den Fischer verjagt?«
Eduardo zuckte mit den Schultern. »Zur Sicherheit. Er konnte nicht wissen, dass hier Taucher sind.«
Interessant. Eduardo hatte nicht abgestritten, dass das Boot einem Fischer gehörte. »Kennen Sie den Besitzer des Boots?«, fragte Sam.
Eduardo sah erst sie und dann Dan an, ehe ihm aufzufallen schien, dass er etwas gesagt hatte, das er besser nicht hätte sagen sollen. »Die Galapagosinseln sind eine kleine Gemeinde. Er ist ein Cousin.«
Dans und ihr Blick trafen sich, und sie wusste, dass er das Gleiche dachte wie sie. Eduardos Cousin hatte hier vielleicht illegal nach Haien gefischt.
Trotz des schaurigen Tagesbeginns war Sam beim Frühstück auf der
Papagayo
fast schon ausgelassener Stimmung. Dan und sie hatten wertvolle Daten für die NPF -Studie gesammelt und waren in guter Verfassung wieder aufgetaucht. Sie hatte sich nicht nur mutig ein paar Haien genähert, sondern auch groÃartiges Videomaterial im Kasten. Sie war ein echter Profi. Mann, sie war wirklich Zing.
»Und Sie sind ebenfalls Meeresbiologin?«
Sam hob den Blick von ihrem leeren Teller und richtete ihn auf die silberhaarige Frau, die ihr gegenübersaÃ. Gail? Nein, Abigail. Abigail Birsky. Frau von Ronald Birsky, dem glatzköpfigen Gentleman neben ihr. Aus Nashville.
»Keine Meeresbiologin«, stellte Sam richtig. »Von der Ausbildung her bin ich Wildtierbiologin â mein Spezialgebiet sind Wölfe, Elche, Pumas und Ãhnliches. Aber für Leute wie mich gibt es kaum Jobs, deshalb arbeite ich inzwischen überwiegend als freie Journalistin. So oft ich kann, schreibe ich Artikel über die Natur. Von daher ist diese Reise für mich etwas ganz Besonderes â die Galapagosinseln sind der Traum jedes Naturliebhabers.«
Als Constantino fragte, ob jemand noch mehr von dem spanischen Omelette wolle, streckten Dan und Sam ihm sofort ihre Teller entgegen. Abigail und Ronald, deren beider Teller noch halb voll waren, warfen sich einen amüsierten Blick zu, was Sam daran erinnerte, dass es auch so etwas wie gutes Benehmen gab. »Und Sie beide? Nutzen Sie die Zeit, um die Welt zu bereisen?«
»Ich bin pensionierter Pfarrer«, erwiderte Ronald. Der Nacken und die Schultern des groÃen Mannes waren gekrümmt â vermutlich hatte er sich dauernd zu seinen Gemeindemitgliedern hinabbeugen müssen. Oder zu seiner Frau, die ihm gerade mal bis zur Schulter reichte. »Abigail ist meine bessere Hälfte«, fuhr er fort und neigte den Kopf in Richtung seiner Frau.
Abigail tätschelte Sam die Hand, und ihre hellblauen Augen leuchteten auf. »Ich freue mich schon, Sie näher kennenzulernen.«
Sam lächelte, aber innerlich stöhnte sie. Sie war mit der stetigen Missbilligung ihres Vaters, ebenfalls Pfarrer, aufgewachsen, und mit einem ständig gegenwärtigen Kreis von Kirchendamen. Dan hatte den Birskys bereits Fotos von seiner hübschen Frau und dem goldigen Baby gezeigt. Daraufhin hatte sich, wie Sam nicht entgangen war, Abigail Birskys Blick sofort auf ihren linken Ringfinger gerichtet.
He, ich habe eine Beziehung mit einem scharfen, gefährlichen Latino-Lakota-Skinhead
, hätte sie am liebsten gesagt, aber das hätte die Birskys vermutlich nicht beeindruckt. Abgesehen davon wusste sie auch gar nicht, wie sie diese Beziehung hätte definieren sollen. Vielleicht lieà sich das ja in der nächsten Woche klären.
Constantino stellte den Teller mit dem Nachschlag vor sie, und Sam stürzte sich dankbar auf Eier und Toast, bevor sie etwas heraussprudeln konnte, das sie später bereuen würde.
Abigail lächelte den Kellner an und sagte freundlich: »Danke, Tony.«
Ihr Mann legte seine Hand auf ihre. »Er heiÃt Constantino, mein Schatz.«
Abigails Wangen liefen rot an. Sie wandte sich in Constantinos Richtung und sagte: »Oje. Das tut mir fürchterlich leid«, aber der Kellner war schon auf halbem Weg zur Küche.
»All diese fremdländischen Namen â das ist ganz schön verwirrend, nicht wahr?«, tröstete Ronald seine Frau. »Mach dir keine Gedanken. Ich glaube, er hat dich gar nicht
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